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Narben

Narben

Titel: Narben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Stelle auch verschwinden. Jedenfalls scheint Lucy nicht gerade das große Los gezogen zu haben mit ihrer Familie. Ich hoffe, Ken stellt sich nicht auch als faules Ei heraus. Wann triffst du dich übrigens mit dem alten Herrn?«
    »Überhaupt nicht, wenn Lucy es nicht will. Und ich werde sie bestimmt nicht fragen, bevor ich sicher bin, daß es sie nicht zu sehr aufregt.«
    Wir zuckten beide zusammen, als das Telefon summte. Ich nahm ab.
    »Doktor? Hier spricht Ken Lowell. Ich bin noch in Palo Alto. Ich wollte nur sagen, daß das mit dem Haus in Brentwood klargeht. Es ist alles vorbereitet für Lucy. Ich nehme den Flug um sieben, könnte also um halb acht dort sein. Soll ich vorbeikommen und sie abholen, oder treffen wir uns in Brentwood?«
    Ich fragte Milo.
    »Sag ihm, wir treffen uns dort.«
    Ken gab mir eine Adresse an der Rockingham Road und fragte: »Wie geht es ihr jetzt?«
    »Ganz gut.«
    »Prima. Wir Lowells können eben was einstecken.«
    Als er aufgelegt hatte, gab ich Milo die Adresse, und er machte sich fertig zum Gehen.
    »Wo willst du jetzt hin?«
    »Ich kaufe was zu essen für Lucy, und dann fahr ich mit ihr nach Brentwood. Gut, daß er noch angerufen hat. Ich hatte mich schon darauf eingerichtet, die Nacht mit ihr zu verbringen - in getrennten Schlafzimmern natürlich.«

19
    Als am nächsten Morgen bis zehn noch niemand angerufen hatte, wählte ich die Nummer in Brentwood. Ken antwortete gähnend.
    »Oh, hallo. Wir sind ziemlich spät ins Bett gekommen. Warten Sie, ich rufe Lucy.«
    Sekunden später meldete sich seine Schwester: »Guten Morgen, Dr. Delaware.«
    »Wie geht’s?«
    »Danke. Ich bin eben erst aufgestanden. Wir haben die ganze Nacht geredet. Augenblick. - Tschüs, Ken. - Er geht einkaufen. Er ist so nett. Ich muß die ganze Zeit an Peter denken. Ich bin sicher, er kommt bald zurück, aber… die letzten Tage waren so ein Durcheinander. Ich kann kaum glauben, daß all das wirklich passiert ist.«
    Sie brachte ein kurzes, verkrampftes Lachen zustande.
    »Würden Sie gern zu mir kommen und darüber sprechen?«
    »Ja, aber mein Wagen steht noch bei meiner Wohnung.«
    »Dann komme ich einfach zu Ihnen. Wie wär’s mit heute mittag?«
    »Ja, gut. Ich bin hier. Ich gehe bestimmt nirgendwohin.«
    Kurz bevor ich wegwollte, rief Simon Best an. »Es gibt sicher noch nichts Neues, Doktor, aber -«
    »Nein, Reverend. Die Polizei würde nur gern mit Felix Barnard sprechen. Er wohnt nicht mehr in Malibu. Wissen Sie vielleicht, wo er hingezogen ist?«
    »Nein, tut mir leid. Wahrscheinlich ist er im Ruhestand. Er war damals schon über sechzig, und nachdem er mir seinen Bericht geschickt hatte, machte er zu.«
    »Es war sein letzter Fall?«
    »Das hat er mir jedenfalls gesagt. Ich dachte, sein Alter würde Erfahrung bedeuten, aber vielleicht hätte ein junger Mann sich besser angestellt. Manche Leute strengen sich nicht mehr an, wenn sie ein bestimmtes Alter erreicht haben.«
    Um elf war ich auf der Küstenstraße. Der Strand war ruhig; auf den Hügeln leuchtete gelber Mohn. Ich fuhr am Pier vorbei und beschloß, mir den Surfladen der Sheas einmal anzusehen.
    Ich hielt direkt vor dem Schaufenster, neben einem anthrazitgrauen BMW-Coupé mit Chromfelgen, Heckspoiler und Behindertenausweis. Vor der Ladentür war eine Betonrampe mit Eisengeländer. Als ich eintrat, ging eine altmodische Türklingel.
    Der Laden war in zwei Abteilungen aufgeteilt. Links gab es Surfbretter, Gummianzüge und andere Surferausrüstung, rechts Strandkleidung, Sonnenöl und einen Ständer mit Postern, in dem ein paar junge Mädchen blätterten. Ein älteres Ehepaar schaute sich fasziniert die neuesten Neopren-Badeanzüge an.
    In der Kleiderabteilung sah ich kein Personal, doch an der Surfertheke stand ein Mann in den Vierzigern, frühstückte aus einem Styroporkarton und las dabei eine Sportzeitung. Ohne aufzuschauen, fragte er: »Was kann ich für Sie tun?«
    »Ich schau mich nur um.«
    Er war sonnengebräunt und hatte sein langes, dünnes silbernes Haar quer über die beginnende Glatze gekämmt. Sein Gesicht war ebenmäßig, bis auf die hellbraunen Augen, die zu nah zusammenstanden. Er hatte breite Schultern und muskulöse Unterarme mit einem tätowierten Anker, der fast unter der dichten grauen Behaarung verschwand. Eins der Mädchen kam mit einem eingerollten Poster, und er legte seine Zeitung weg. Sie bezahlte und ging zu ihren kichernden Freundinnen zurück. Der Mann schluckte einen Bissen von seinem Eiersandwich hinunter und

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