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Narben

Narben

Titel: Narben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Kleine wollte Schluß machen, weil sie leer ist, hohl. Keine Leidenschaft, kein Schmerz, kein Grund weiterzuleben. Es ist alles zwecklos, was du mit ihr versuchst. Der einzige, der sie erlösen kann, bin ich!«
    Ich wußte nicht, ob ich lachen oder heulen sollte. »Sie meinen, sie kommt zu Ihnen und lernt Sie kennen, und das wäre Therapie genug?«
    »Nicht Therapie, du Hohlkopf. Therapie ist für Hirnamputierte. Ich rede von Erlösung .« Er beugte sich vor. »Sag ihr das.«
    »Ich werde es ausrichten.«
    Er klang plötzlich weinerlich: »Sie haßt mich, nicht wahr?«
    »Darüber zu reden, habe ich kein Recht.«
    »Sie haßt mich, sie haßt mich! Soll sie mich doch hassen. Genau wie ich das Schreiben gehaßt habe. Haß ist der beste Antrieb.«
    Er forderte mehr zu trinken. Ich hob sein Glas auf. Der Chivas war leer, also schenkte ich ihm einen billigen Scotch ein. Bei seinem Gewicht hätte er schon längst betrunken sein müssen. Er lachte gezwungen und plapperte weiter.
    »Hast du schon mal ins Klo geguckt? Was hängenbleibt, wenn du geschissen hast? Kratz es ab, tu es in einen Blumentopf und stell es in den Keller, und nach zwei Tagen hast du dir einen Kritiker gezüchtet! Jeder Kriminelle, der letzte Kinderficker und Mütterschänder hat das Recht auf eine ordentliche Verhandlung. Und was hat der Künstler? Kritiker! Schwanzlose Pisser, die ihre Seele verkaufen würden für ein bißchen Talent, und weil sie nichts können, lassen sie ihre Frustration an uns aus, an denen, die es haben. Kritiker!«
    Er spuckte und geiferte und starrte mich an. Ich wartete auf den nächsten Ausbruch, doch er wurde sehr still und schlief ein.
    Nova kam herein, als wäre sein Schnarchen das Signal für ihren Auftritt. Sie hatte sich umgezogen und trug schwarze Shorts, die ihre sehenswerten Beine herzeigten. Ihr Busen war groß und weich. Die Brustwarzen schimmerten dunkel durch die dünne weiße Bluse, die kaum ihren Nabel bedeckte.
    »Sie verschwenden Ihre Zeit, wenn Sie hierbleiben. Er wird so bald nicht aufwachen.«
    »Nickt er oft einfach so ein?«
    »Das ist normal. Er ist ständig müde. Es sind die Schmerzen.«
    »Nimmt er Schmerzstiller?«
    »Was glauben Sie? Er ist ein totales Wrack. Das Herz und die Leber machen Probleme, er hatte mehrere Schlaganfälle, und die Nieren spielen auch nicht mehr mit.«
    Sie sprach ohne Mitgefühl.
    »Sind Sie Krankenschwester?«
    Sie lächelte. »Nein, ich bin seine Assistentin. Pflege würde er nicht akzeptieren. Er besäuft sich lieber und macht, was er will. Sie sollten besser verschwinden.«
    Ich ging zur Tür.
    »Werden Sie die Tochter herbringen?«
    »Das muß sie entscheiden.«
    »Sie sollte ihn besuchen.«
    »Warum?«
    »Eine Tochter sollte wissen, wer ihr Vater ist.«

29
    »Eine Witzfigur«, sagte Lucy. Sie versuchte zu lächeln, doch ihr Blick war voller Furcht.
    Es war acht Uhr morgens. Ich hatte ihr eben über meinen Besuch bei ihrem Vater berichtet. Die Zeitungen und Nachrichtensendungen waren voll von dem Mord an Nicolette Verdugo. Schwandt gab Interviews in der Todeszelle, dozierte über Astrologie und Utopismus und wie man einen Rinderbraten vernünftig anschneidet. Eine seiner Verehrerinnen hatte der Times erzählt, der Tag sei gekommen, da die versklavte Menschheit sich erhebe und ihre Unterdrücker vernichte. Lucy hatte die Morgenzeitung in der Hand, als sie hereinkam, aber sie wollte nicht darüber reden.
    »Was meinen Sie, was er will?«
    »Wenn ich das wüßte. Vielleicht bietet er Ihnen auf bizarre Weise seine Hilfe an; oder er versucht nur wieder zu manipulieren.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Haben Sie Bäume gesehen, wie ich sie beschrieben habe?«
    »Die Gegend ist voll davon. Sein Haus steht mitten im Wald.«
    »Ist es ein Blockhaus?«
    »Ja, eine riesige Blockhütte.«
    »Meinen Sie nicht, ich sollte meiner Erinnerung auf die Sprünge helfen, indem ich selbst hinfahre?«
    »Wir wollen nichts übereilen. Lowell ist zwar alt und schwach, aber keineswegs harmlos. Denken Sie daran, wie er mit Peter umgesprungen ist.«
    »Ich weiß. Ich rechne damit, ein Ungeheuer vorzufinden. Egal, was er versucht, ich werde auf der Hut sein. Er kann mir nichts anhaben, ich bin nämlich nicht Peter. Ich will nichts von ihm, ich möchte mir nur diese Bäume ansehen.«
    »Nein, hören Sie auf einen übervorsichtigen Therapeuten - warten Sie bitte damit. Möchten Sie inzwischen über etwas anderes reden?«
    »Nein. Ich möchte einen Schlachtplan aufstellen. Ich will, daß wir zu ihm

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