Narben
Der war total hölzern, und schreiben konnte er für keine zwei Cents. Ein Waisenknabe war er auch nicht gerade, obwohl er keinen so schlechten Ruf hatte wie Terry. Nicht daß ich irgend etwas gegen Schwarze hätte - wenn man ihn überhaupt so nennen konnte. Ich glaube, seine Mutter war eine Weiße. Er redete auch wie ein Weißer, aber ansonsten…«
Er machte eine abschätzige Handbewegung und legte seine Füße auf den Schreibtisch. Ich fragte ihn, ob er sich vielleicht genauer ausdrücken könnte, worauf er aus dem Fenster schaute und das Thema wechselte.
»Sie bringen mich auf einen Gedanken, mein Freund. Ist schon jemand vom Film an Sie herangetreten?«
»Nein, nicht direkt.«
»Ich rate Ihnen, seien Sie vorsichtig, wenn es um Filmrechte geht. Halten Sie sich an mich. Ich bin seit zwanzig Jahren in diesem Geschäft und weiß, wie man Projekte durchzieht. Ihr Buch hat etwas; ich sehe es vor mir. Der unaufhaltsame Abstieg eines großen Schriftstellers. Wußten Sie schon, daß das Sanktum früher eine Nudistenkolonie war? Wenn das nicht zündet: Schriftsteller, Künstler und nackte Weiber. Bei der Mischung kann alles mögliche passieren.«
»Auch Gewalt?«
»Alles mögliche. Sie müßten natürlich aus rechtlichen Gründen ein paar kleine Änderungen anbringen. Aus Lowell könnten Sie zum Beispiel einen Musiker machen - einen Cellisten. Ja, das gefällt mir. Ein Musiker-Refugium mit nackten Weibern.«
»Interessant, aber wer ist der Bösewicht? Mellors?«
»Wir machen ihn einfach zum Weißen. Mellors war ein übler Kerl. Er redete die ganze Zeit davon, Leuten weh tun zu wollen. Ich will nicht sagen, daß er jemals wirklich etwas gemacht hat, aber wenn man ständig davon redet… wer weiß?«
»Ich verstehe. Ich habe einen Artikel über die große Eröffnungsparty gelesen. Es muß ein ziemlich wildes Fest gewesen sein.«
»Ja, da haben Sie recht. Es war ein wenig wie in Fellinis Dolce Vita , nur daß noch Drogen dazukamen - wie es eben war in den Sechzigern und Siebzigern.«
»Waren Sie da?«
»Nur am Anfang. Meine Frau bekniete mich zu verschwinden, weil es ihr zu laut wurde.«
»Haben Sie Mellors und Trafficant dort gesehen?«
»Nein, es waren so viele Leute dort. - Sagen Sie, haben Sie schon einen Agenten?«
»Ich suche noch.«
»Finden Sie einen, und dann halten Sie sich an mich. Vielleicht können wir uns einigen, sagen wir, bis nächsten Dienstag?«
»Vielleicht, aber zuerst würde ich gern über die Story selbst reden, damit wir sicher sind, daß wir dieselbe Sprache sprechen.«
Er winkte ab. »Ach was, Story. Sie sind der Schriftsteller. Bringen Sie ein bißchen Spannung rein, und sorgen Sie dafür, daß die Geschichte ein Ende hat. Je länger ich darüber nachdenke, desto besser gefällt mir die Idee.«
Er rieb sich die Hände und stand auf. »So, jetzt hatten Sie dreizehn Minuten, obwohl ich Ihnen nur fünf versprochen hatte.«
»Halten wir noch mal fest: Sie sehen Mellors als den Bösewicht?«
»Ja, vorausgesetzt, Sie färben ihn um.«
»Können Sie mir vielleicht mehr über ihn erzählen? Das würde mir helfen, ihn lebendiger zu machen.«
»Er war ein wirklich unangenehmer Bursche. Er haßte die Frauen, nannte sie ›manipulierende Miststücke‹. Ich stellte ihn an, als das Sanktum zumachte. Er sollte an einem Buch schreiben, bekam es aber nicht fertig.«
»Litt er an einer Schreiblähmung?«
Er lachte. »Schreiblähmung? - Das war mehr Lowells Problem: große Sprüche und nichts zum Vorzeigen. Bei David ging es immer um Geld, und als er nicht mehr auf Lowells Kosten leben konnte, kam er zu mir. Großzügigerweise stellte ich ihn ein.«
»Und welche Art Arbeit hat er für Sie gemacht?«
»Ich gab ihm einen Idiotenjob in der Verwaltung: Memos schreiben, Verträge abheften und die Kopiermaschine bedienen. Die Idee war natürlich, daß er genug Freiheit zum Schreiben hätte, doch eines Tages kam er bei mir herein und erklärte, es würde kein Roman, sondern ein Drehbuch werden. Okay, dachte ich, das macht es nur einfacher für mich. Also gab ich ihm sechs Monate, dann noch mal sechs, und dann…«
Er ging zu seinem Regal und zog nach kurzer Suche einen dünnen, unbeschrifteten Band heraus. Er öffnete ihn und steckte ihn zurück, bevor er ein anderes, noch dünneres Manuskript herausnahm und mir in die Hand gab.
»… Und dann lieferte er das hier ab.« Der handgeschriebene Titel lautete:
DIE BRAUT Ein Drehbuch von David W. Mellors »Nehmen Sie es mit nach Hause. Ich mag Sie,
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