Narben
ein Fall. Sein Leben hatte keine Spuren hinterlassen. Ich fragte mich, ob die Zeitungen sich die Mühe gemacht hatten, über seinen Tod zu berichten.
Diesmal fuhr ich nur bis zur öffentlichen Bücherei in Santa Monica. Unter dem Namen Barnard gab es keinen Eintrag im Zeitungsarchiv, weder in dem betreffenden Jahr noch in irgendeinem anderen, doch unter dem Stichwort Mord hatte ich dann Glück:
MORD IM MOTEL Nach Angaben der Polizei war das Adventure Inn im Westend Schauplatz zahlreicher Verbrechen, zuletzt der Mord an einem ehemaligen Privatdetektiv.
Der vollständige Artikel befand sich ganz unten auf der Lokalseite:
Der Mord an einem früheren Privatdetektiv, der heute morgen im Adventure Inn im Westend seinen Schußwunden erlag, gibt Anlaß zu weiterem Unbehagen in der Bevölkerung. Die Polizei bestätigt, daß das Motel am South La Caniega Boulevard Schauplatz einer endlosen Reihe von Verbrechen gewesen ist. Trotz vielfacher Beschwerden aus der Nachbarschaft hat die Polizei offenbar keine Möglichkeit, das Haus zu schließen. Das Opfer des neuesten Vorfalls, Felix Slayton Barnard aus Venice, 65, wurde vom Nachtportier entdeckt, Mr. Edgely Sylvester. Er war auf seinem morgendlichen Rundgang und fand die Leiche in Zimmer 11. Sylvester sagt aus, nichts gesehen oder gehört zu haben. Als die Polizei eintraf, hatten alle anderen Gäste das Motel bereits verlassen.
»Das wundert mich nicht«, sagte ein Schaulustiger, der seinen Namen nicht genannt haben möchte, »die Zimmer hier mietet man stundenweise.« Captain Robert Bannerstock vom Westend-Revier sieht sich machtlos, wenn es um die Schließung des Motels geht: »Dies ist ein freies Land. Wir können nur die einzelnen Vorfälle untersuchen und allen Leuten raten aufzupassen, wo sie ihre Nächte verbringen.«
Eingetragener Eigentümer des Motels ist ein Unternehmen in Nevada, die Advent-Gruppe. Versuche, den Manager Mr. Darnel Mullins zu befragen, blieben bisher erfolglos.
Ich suchte in jedem Telefonbuch von Süd-Kalifornien, das die Bücherei besaß, und fand etwa ein Dutzend D. Mullins, von denen ich die meisten nach fünfunddreißig Minuten Herumtelefonieren ausschließen konnte. Die übrigen waren nicht zu Hause.
Wieder eine Sackgasse.
Ich saß da und trommelte mit den Fingern auf dem Tisch, bis mir eine andere Möglichkeit einfiel.
Der Nachtportier, Edgely Sylvester - Gott sei Dank war es ein ungewöhnlicher Name -, er stand im Telefonbuch von L. A.
Die Adresse gehörte zu einem zweistöckigen, in Wohnungen aufgeteilten Häuschen in der Gegend hinter dem alten Sears Kaufhaus an der La Brea Avenue. Der Vorgarten war asphaltiert, und dort standen ein rostiger Cadillac Fleetwod und ein zwanzig Jahre alter Buick Riviera nebeneinander.
Vor der Tür saßen zwei alte Männer an einem Klapptisch und spielten Domino. Der eine war fett, hatte kaffeebraune, ölige Haut und eine Zigarre zwischen den Lippen. Sein Partner war dünn, tiefschwarz, gepflegt und hatte volles schwarzes Haar.
Ich ging auf sie zu, und sie unterbrachen ihr Spiel.
»Guten Tag, meine Herren«, sprach ich sie an, »Wohnt hier ein Mr. Edgely Sylvester?«
»Nein«, sagte der Dünne.
»Wissen Sie vielleicht, wo ich ihn finden könnte?« Sie schüttelten beide den Kopf.
»Okay, vielen Dank.«
Als ich mich umdrehte, fragte der dicke Mann: »Was wollen Sie denn von ihm?«
»Ich bin Reporter bei der L. A. Times . Wir arbeiten an einer Geschichte über unaufgeklärte Verbrechen. Mr. Sylvester hat einmal in einem Motel gearbeitet, wo vor zwanzig Jahren ein Privatdetektiv ermordet wurde. Mein Boß dachte, es würde gut in unsere Reihe passen.«
»Idiotisch«, sagte der Dünne, »wo jeden Tag neue Morde passieren. Wen interessieren schon die alten Geschichten?«
»Das Aktuelle jagt den Leuten Angst ein, doch wenn es lang genug her ist, finden sie es aufregend. Ich weiß, es ist lächerlich, aber man hat mich nun mal darauf angesetzt. Vielen Dank, jedenfalls.«
»Springt etwas dabei heraus, wenn man mit Ihnen redet?«
»Na ja, eigentlich darf ich für Informationen kein Geld rausrücken, aber wenn die Story wirklich gut ist…«
Der Dicke legte einen Dominostein auf den Tisch.
»Hat Mr. Sylvester von dem Mord erzählt?« fragte ich.
Er schaute mir in die Augen. »Wieviel können Sie zahlen?« Wieviel Geld hatte ich in der Tasche? Wahrscheinlich etwas über hundert Dollar.
»Eigentlich sollte ich gar nichts bezahlen. Es müßte schon was ganz Besonderes sein.«
Er lutschte an seinem
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