Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Narben

Narben

Titel: Narben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
Zigarrenstummel. »Und wenn ich diesen Sylvester für Sie auftreiben könnte?«
    »Das wäre mir zwanzig Dollar wert.« Er kicherte und schüttelte den Kopf.
    »Na, kommen Sie«, sagte ich, »woher soll ich denn wissen, daß er mit mir redet, wenn Sie ihn gefunden haben?«
    »Vierzig Dollar«, entgegnete der Dicke, »und ich mache Sie bekannt.«
    »Dreißig.«
    »Fünfunddreißig.«
    Ich schaute gequält drein, zog mein Portemonnaie aus der Tasche und legte ihm das Geld auf die ausgestreckte Hand.
    »Also, wo ist Sylvester?«
    Er zeigte grinsend auf die andere Seite des Tisches. »Na, komm, sag guten Tag zu dem jungen Mann, Mr. Sylvester.«
    Der dünne Mann hatte die Augen geschlossen und schüttelte sich vor Lachen. Nun war er an der Reihe, die Hand aufzuhalten.
    »Na, komm schon. Hundert Dollar, dann kann die Show beginnen.«
    »Erst müssen Sie mir beweisen, daß Sie Sylvester sind«, sagte ich.
    »Hundert Dollar, ich beweise es.«
    »Fünfzig.«
    »Neunzig.«
    »Sechzig.«
    »Achtundachtzig.«
    »Fünfundsechzig. Das ist mein letztes Wort.«
    Er hörte auf zu grinsen. Seine Augen waren wie Kohlestücke.
    »Sie geben ihm fünfunddreißig, nur daß er mit dem Finger auf mich zeigt, und ich soll nur dreißig mehr kriegen? Das ist doch Schwachsinn, Mann.«
    »Wenn Sie wirklich Sylvester sind, gebe ich Ihnen siebzig. Mehr habe ich nicht.«
    Ich nahm sämtliche Banknoten aus meiner Brieftasche und hielt sie ihm vor die Nase. Er runzelte die Stirn, zog ein abgegriffenes Plastiketui aus der Gesäßtasche und zeigte mir eine vergilbte Sozialversicherungskarte, ausgestellt auf den Namen Edgely Nat Sylvester.
    »Haben Sie einen Ausweis mit einem Foto?« fragte ich.
    Er blätterte weiter in dem Etui, bis er zu einem Führerschein kam. Er war vor drei Jahren abgelaufen, aber das Foto darauf war von ihm; Name und Adresse stimmten auch.
    »Okay.« Ich gab ihm zwanzig Dollar und steckte mein restliches Geld weg.
    »He, was soll das?« Er erhob sich von seinem Stuhl.
    »Den Rest bekommen Sie, wenn wir fertig sind.«
    Sylvester schaute den Geldschein an, als hätte ich ihn aus dem Müll gezogen. »Und woher soll ich wissen, daß Sie mich nicht bescheißen?«
    »Weil ich der Beschissene bin, wenn Sie sich beschweren und mein Boß erfährt, daß ich Sie bezahlt habe, klar? Ich will keinen Ärger, ich will eine Story.«
    »Okay, kommen Sie mit. Wir gehen irgendwohin, wo wir reden können.«
    Wir gingen an einigen Häusern vorbei bis zur nächsten Ecke. Sylvester blieb stehen und lehnte sich an einen Laternenpfahl. Er faßte sich an seine leere Brusttasche.
    »Haben Sie eine Zigarette?«
    »Tut mir leid, ich bin Nichtraucher.«
    »Auch das noch. Also, an welchen Mord denken Sie?«
    »Gab es denn mehrere?«
    »Könnte sein.«
    »Wie meinen Sie das, ›könnte sein‹?«
    »Wissen Sie nicht, was in dem Motel los war, damals?«
    »Nein, wieso?«
    »Es war ein Puff, und zwar ein ganz schäbiger. Die Mädels waren hart drauf. Ich habe nur da gearbeitet, weil ich unbedingt mußte. Tagsüber habe ich Abflüsse gereinigt. Das war auch nicht gerade ein Traumjob, aber besser als in dem Puff.«
    »Das heißt, Sie haben nur nachts da gearbeitet?«
    »Genau.«
    »Und es war ein übler Laden.«
    »Schlimmer ging’s nicht mehr. Die Leute, denen er gehörte, kümmerten sich einen Scheißdreck drum.«
    »Das war die Advent-Gruppe, nicht wahr?« Er schaute mich verständnislos an.
    »Leute in Nevada«, erklärte ich, »das weiß ich aus dem Zeitungsbericht von damals.«
    »Ja, richtig, Reno in Nevada. Von da kam mein Lohn.«
    »Das Opfer war ein Kerl namens Felix Barnard, ein ehemaliger Privatdetektiv. In der Zeitung stand, daß Sie ihn gefunden haben.«
    »Daran erinnere ich mich noch genau. Das war eine Szene, sage ich Ihnen: ein alter Knacker mit nacktem Arsch, den Schwanz noch in der Hand. Jemand hatte ihm in die Fresse geschossen.«
    »An was können Sie sich sonst noch erinnern?«
    »Das ist so ungefähr alles. Es war ziemlich ekelhaft. Danach hätte ich den verdammten Job am liebsten sofort hingeschmissen. Ich habe damals sowieso zuviel gearbeitet. Um fünf Uhr morgens konnte ich nach Hause gehen und zwei Stunden schlafen. Ich hatte vier Kinder und war allen ein guter Vater.«
    »Um fünf Uhr morgens haben Sie immer die Zimmer inspiziert?«
    »Da war ich dann fertig. Angefangen habe ich um Viertel vor, damit ich auch bestimmt um fünf wegkam. Wenn ein Zimmer leer war, sagte ich der kleinen Mexikanerin Bescheid, sie sollte saubermachen. Wenn

Weitere Kostenlose Bücher