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Narcopolis

Narcopolis

Titel: Narcopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeet Thayil
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stünde damit fest, er habe im Safer keinen Platz. Außerdem habe er mit Soporo persönlich sprechen wollen, habe nicht darum gebeten, sondern es verlangt, als wäre er in einem Restaurant und wolle sich beim Besitzer beschweren. Bull hatte ihn nicht hereingelassen, also war er auf die andere Straßenseite zu den stillgelegten Höfen gegangen und in einem der großen Abflussrohre verschwunden, wo er sich zweifellos in ebendiesem Moment zudröhnte. Bull schlug vor, bis zum Morgen zu warten, dann die Behörden zu rufen und den Kerl abtransportieren zu lassen. Wir werden sehen, erwiderte Soporo und legte auf. Sein Rücken bereitete ihm Probleme, seit Tagen schon, und er glaubte, sich was zugezogen zu haben, vielleicht eine Erkältung, also legte er das Buch beiseite, in dem er geblättert hatte und ging in die Küche, um sich eine Tasse Tee zu machen. Er setzte Wasser auf, schnitt Ingwer in lange Streifen, drückte eine halbe Zitrone aus, goss das heiße Wasser in die große Tasse, tunkte ein Tütchen Ceylontee ein, nahm es wieder heraus, gab Ingwer und Zitrone dazu und nahm die Tasse mit ins Wohnzimmer, wo er aus einer kleinen Flasche auf dem Esstisch einen Löffel Honig hinzugab. Er setzte sich in den Sessel am Fenster und hielt Ausschau nach dem Mond über den Dächern, konnte ihn aber nirgendwo sehen, obwohl er meinte, seinen Widerschein in einem der Gebäudefenster zu entdecken. Er nippte am Tee und sah sich im Zimmer um. Es war klein und schlicht: Auf dem Boden entlang der Wand stapelten sich Bücher, da er nie dazu gekommen war, Regale anzubringen, am Spiegel hingen Postkarten, in Glasflaschen wuchsen Pfennigbäume, und es gab viel Luft und Licht (das Zimmer ging nach Osten). Es war eine ruhige Wohnung, ›heiter und bescheiden‹, um es mit Father Fos Worten auszudrücken. Soporo nahm noch einen Schluck und zuckte leicht zusammen: zu viel Zitrone. Es wird mir schwerfallen, sie aufgeben zu müssen, dachte er.
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    Er zog sich die Schuhe an und nahm einen Stock mit, denn nachts gehörten die Straßen den Hunden. Als er die Kirche verließ und hinaus in die Dunkelheit trat, stieß er mit jemandem zusammen, der auf die Straße fiel und rief: Aiee, aiee, mein Fuß. Wer ist da? Teufel, Teufel. Gleich darauf erkannte er Tara oder Sitara, die in der Kirche putzte und Charlotte in der Küche half. Sie sagte: Entschuldigen Sie, Father Onar, ich habe nicht gesehen, dass Sie es sind. Bitte verzeihen Sie mir. Wohin gehen Sie noch um diese Zeit? Beim Aufhelfen versicherte er ihr, ihm sei ja nichts passiert, und bat sie, ihn nicht Father zu nennen, doch hatte er sie schon viele Male darum gebeten, weshalb er nicht daran zweifelte, dass sie seine Worte zwar hörte, aber gleich wieder vergaß. Soporo verließ das Kirchengelände und bog von der Hauptstraße in Richtung Bandra East ab. Gleich darauf sah er die Abflussrohre, knapp ein Dutzend riesige, am Rand des Platzes wahllos verstreut liegende Rohre; und dann hörte er jemanden singen. Er folgte der Stimme, konnte aber nur wenige Worte verstehen. Ein Mann mit einem schönen Haus, einer schönen Frau und einem schönen Auto wacht eines Morgens auf und begreift, dass ihm keine dieser Kostbarkeiten gehört. Was Rumi sang, klang wirr und ziemlich falsch, bis er zu dem kam, was sich wie ein Refrain anhörte, irgendwas darüber, in einem großen Bauch zu leben. Er saß am Rohreingang und hatte seine Utensilien um sich ausgebreitet, eine Kerze, eine Schachtel Wachsstreichhölzer sowie ein Feuerzeug, Glasröhrchen mit verschiedenfarbigen Stöpseln, ein halbes Dutzend Zigaretten und einige Streifen Alufolie. Als er Soporo sah, stand er auf, sang aber noch ein bisschen weiter. Schließlich sagte Rumi: Mr Soporo, Sir, wie schön, dass Sie mich mit Ihrer erlauchten Anwesenheit in meiner bescheidenen Hütte beehren. Bitte setzen Sie sich, falls Sie denn einen Platz finden können, der nicht allzu schäbig ist. Aber ich vergaß, mit Schäbigem kennen Sie sich ja aus, nicht wahr? Dann lächelte Rumi oder versuchte zumindest zu lächeln. Er sagte: Ich wusste, du würdest kommen. Ich weiß, wer du bist. Soporo entgegnete: Nein, das weißt du nicht. Ich wusste es, sobald ich dich sah, sagte Rumi. Und ich wusste, dass du kommen würdest. Ich weiß sogar, was du als Nächstes tun wirst. Du wirst erlauben, dass ich zurück ins Safer kann und dass ich dort bleiben darf, solange ich möchte. Wenn ich dich um Geld bitte, wirst du mir welches geben. Mit anderen Worten, du wirst mich tun

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