Narcopolis
See. Es tut mir leid, dies zu sagen, aber für einen Maler in Bombay, Delhi oder Bhopal wäre es nicht sonderlich sinnvoll, einen ähnlichen Weg einzuschlagen. Worin bestünde der Kontext? Nein, will man in diesem Klima etwas Originelles schaffen, muss man es mit Gleichgültigkeit und Brutalität aufnehmen. Auch mit unfreiwilliger Komik. Aber was hat es für einen Zweck, Ihnen das zu sagen. Sie werden mich doch bloß missverstehen und falsch wiedergeben, und am Ende klingt das, was ich gesagt habe, nur pompös oder närrisch, was letztlich genau das Gleiche ist.«
Iskai sagte, die Veranstaltung sei zu Ende; Xavier werde keine Bücher signieren. Er dankte dem Publikum und wies zu den Ausgängen. Die Leute unterhielten sich, doch niemand traf Anstalten zu gehen. Selbst der ältliche Kritiker in der ersten Reihe wirkte zufrieden. Xavier hatte sie nicht enttäuscht.
•••
Ich blieb auf meinem Platz sitzen. Der Tag war lang und anstrengend gewesen. Erst kurz zuvor hatte ich eine Stelle bei einem pharmazeutischen Konzern angenommen, für den ich interne Rundschreiben auf Fehler prüfte. Ein langweiliger Job. Stundenlang korrigierte ich Artikel über den umfassenden Schutz von Breitbandantibiotika oder über die neusten Forschungsergebnisse bei der Behandlung von Pilzinfektionen. Allerdings erlaubte es mir dieser Job auch, mich in unmittelbarer Nähe hochgradiger Narkotika aufzuhalten, und er verschaffte mir Zugang zu den staatlich kontrollierten Beständen von Morphium, Schlaftabletten, Schmerzmitteln, synthetischen Opiaten sowie diversen starken, verschreibungspflichtigen Tranquilizern. Da ich am Morgen vor der Arbeit nicht zu Rashid gehen konnte, hatte ich mir aus dem Lager zwei Streifen Prodom besorgt. Diese Pillen waren für jedes Wehwehchen das reinste Wundermittel; zwei Tabletten, und man geriet ins Taumeln, als hätte man den ganzen Vormittag lang Wodka getrunken. Sie ließen mich vergessen, dass ich opiumsüchtig war. Später hatte ich auf eine Stunde bei Rashid vorbeigeschaut und es gerade noch rechtzeitig zur PEN -Lesung geschafft. Mit den Beruhigungsmitteln und einer Pfeife Opium intus fühlte ich mich wie betäubt, fast gummiweich, und auch wenn ich nicht so hinüber war wie Xavier, fehlte doch nicht viel. Als ich die Augen öffnete, saß ich als Letzter im Saal. Xavier schlief in seinem Rollstuhl, und Iskai redete mit leiser, monotoner Stimme auf ihn ein. Madam Blavatsky ausgenommen, deren Augen einem überallhin folgten, schien ihm niemand zuzuhören.
»Nun komm schon, Newton, wach auf. Ich habe versprochen, dich unbeschadet wieder abzuliefern. Und ich weiß, dass du mich hören kannst, also wach auf, alter Knabe; es ist eine reine Frage des Wollens.« Als er sah, wie ich mich erhob, rief er: »Hören Sie, könnten Sie mir kurz zur Hand gehen? Dieser verdammte Moderator ist einfach verschwunden, bestimmt war seine offizielle Arbeitszeit zu Ende. Würde es Ihnen etwas ausmachen, Mr Xavier von der Bühne zu helfen, während ich ihm ein Taxi rufe?«
Ich erklärte mich natürlich einverstanden und schob den Rollstuhl mit dem immer noch besinnungslosen Xavier aus dem Gebäude. Als wir stehenblieben, öffnete Xavier die Augen. Er war völlig gefasst.
»Oh, besten Dank. Ich nehme an, Akash hat Ihnen gesagt, dass Sie sich um mich kümmern sollen. Nur, warum rufen Sie mir dann kein Taxi?«
»Mr Iskai bemüht sich darum.«
»Bei dem kann das die ganze Nacht dauern. Also, fahren wir.«
Ich war immer noch unsicher auf den Beinen. Als ich aus den Augenwinkeln ein Taxi kommen sah, wollte ich es zu uns winken und wirbelte herum, allerdings mit so viel Schwung, dass ich mich zweimal um die eigene Achse drehte. Ich stürzte schwer auf die Straße und verletzte mich am Ellbogen. Der Nachtportier des PEN hob mich auf und setzte mich ins Auto. Dasselbe machte er mit Xavier. Er bat den Fahrer, mich zu meiner Pension in Colaba zu bringen und Xavier ins Hotel zu fahren, da dies ungefähr in derselben Richtung lag. Und so kam es, dass Newton Xavier mich nach Hause brachte, was er verärgert tat und nicht, ohne mir wutschnaubend einen Vortrag zu halten.
»Unglaublich. Wo hat Akash Sie bloß aufgetrieben? Sie können ja kaum noch stehen! Dabei sollten Sie sich um mich kümmern. Und jetzt muss ich auf den Aufpasser aufpassen. Was für eine schöne Scheiße!«
»Verstehe ich das richtig: Sie machen mir Vorwürfe?«
»Ganz genau, Arschloch.«
•••
Er starrte aus dem Fenster, während das Taxi über den Hutatma
Weitere Kostenlose Bücher