Narcopolis
sich als neuen Mogul, der Alkohol mit Kokain mischte, mit Charas und Chandu. Heute Morgen wollte er es langsam angehen. Er würde den Whisky auf ein erträgliches Maß reduzieren, eine halbe Flasche, mehr nicht, und dann würde auch der Rest im Rahmen bleiben: erst eine Line Weißes, um die Augen aufzukriegen, dann in regelmäßigen Abständen Pyalis mit Schwarzem, um entspannt zu bleiben und das Hirn zu schmieren, und schließlich, wenn am Abend der Muezzin rief, ein bisschen Braunes auf Alufolie oder in einem Joint, das Pulver so fest zusammengebacken, dass er ihn immer wieder anzünden musste. Das braune Pulver ist neu, Garad-Heroin mit einem schönen Gruß von der pakistanischen Regierung, von unseren muslimischen Brüdern etwas Süßes für den Mund; die Frage ist nur: Welche Regierung hielte Heroin nicht für Gift? Welcher Gott könnte eine solche Droge willkommen heißen? Kein Hindu-Gott, nicht einmal der Gott der Christen. Was also hatte es zu bedeuten, dass die Pakistani Garad nach Indien schickten, obwohl sie doch denselben Gott verehrten wie er? Es bedeutete, dass Politik oder Wirtschaft wichtiger waren als alles andere auf der Welt. Sie hingen demselben Glauben an, ansonsten aber waren sie Feinde. Und die Pakistani waren Todfeinde.
Führe uns auf den rechten Pfad, du, der du die Ungläubigen umringst.
Die meiste Zeit seines Lebens war er ein Gläubiger gewesen, hatte die fünf Gebetszeiten eingehalten und auch die Essensvorschriften. Dann aber vertauschte er eine Gewohnheit gegen eine andere, gab Gott auf und bekehrte sich zum O. Mit Heroin öffnete er sich dem Gottlosen, und dafür würde er zahlen müssen, das wusste er. Man würde ihn bei den Füßen fassen und ins Feuer werfen. Denn das Pulver war etwas Neues, des Teufels ureigenes Nasha. Rashid wusste es gleich beim ersten Mal, als er Junkies auf der Straße sah, die sich über einen Streifen Alufolie beugten, wusste es, als er sah, wie sie den Rauch einsogen, wie es auf der Stelle wirkte, wie sie die Augen schlossen und sich vom eigenen Körper und der Welt isolierten. Er sah es und dachte: Das ist sie, die Zukunft, die so schnell daherkommt, dass man sich nicht vor ihr wegducken kann. Und jetzt tat er es ihnen nach. Und war ihm hilflos ausgeliefert, dem großen Zorn Gottes.
•••
Er bog in die Gasse zur Khana ein und sah seinen Sohn im Beedi-Shop, wie er Zigaretten kaufte. Als Jamal merkte, in welchem Tempo sein Vater angestürmt kam, blickte er sich verzweifelt um, doch Rashid schnappte sein Handgelenk und drückte zu, bis der Junge die Zigaretten fallen ließ. Der Zigaretten-Wallah sagte: Er hatte kein Geld, Bhai, also habe ich sie ihm auf Kredit gegeben. Ich dachte, die wären für Sie. Rashid schaute seinem Sohn ins Gesicht, sah die Blödheit, den Trotz, und Wut füllte seine Brust mit glühender Kohle.
»Sechs Jahre alt, und verdammt, du treibst dich auf der Straße rum und rauchst?«
Er zerdrückte die Zigaretten mit den Händen, ließ die Krümel auf den Boden fallen, packte den Jungen im Nacken und schob ihn ins Haus. Als der Junge stolperte, wollte er, dass er hinfiel, dass er sich weh tat. Er wollte hören, wie in seinem Sohn etwas zerbrach. Jamal fürchtete sich vor ihm, aber seine Angst machte Rashid nur noch wütender.
»Die Treppe rauf. Los jetzt, oder ich bring dich um.«
Er blickte auf seine Hände und sah überrascht, dass er noch die beiden Whiskyflaschen und das Kokain trug. Er stellte die Flaschen auf den Boden, langsam und mit Bedacht, widmete der Bewegung seine ganze Aufmerksamkeit und bekam den Kopf trotzdem nicht frei. Er hörte, wie sein Sohn leise Laute ausstieß, die von weither zu kommen schienen, vielleicht auch aus einem Tunnel, einem engen Tunnel, der nach frischem Lammfleisch roch. Dann hörte Rashid Krähen, ein plötzliches Krächzen direkt über ihm, dabei waren keine Vögel im Haus, nicht einmal draußen am Himmel. Er ballte die Hand um die Röhrchen zu einer Faust und hieb dem Jungen auf den Kopf; Jamal sank auf die staubigen Treppenstufen; sein Schluchzen war bis auf die Straße zu hören. Rashid stand über ihn gebeugt, mit bebenden Schultern, und schlug wieder zu. Dann sah er den Beediwallah und seine Kunden, die ihn durch die Tür anstarrten. »Was?«, rief er, die Wut nun mit Scham durchsetzt. Als die Männer verschwanden, steckte er sich das Kokain in die Tasche, nahm den Whisky und zerrte den Jungen mit der freien Hand die Treppe hinauf.
2 Bengali
Für Kunden war es noch zu früh. Als Rashid
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