Narcopolis
Mühe, den Mann zu ignorieren, der sich vorbeugte und mit dem Mund an Rashids Ohr flüsterte, dass er ihn gern allein sprechen würde, als könnte er Bengali und Dimple nicht vertrauen. Rashid aß weiter, methodisch, arbeitete sich durch das Essen. Wir
sind
allein, sagte er, als er sich die Hände unterm Hahn wusch. Dann absolvierten sie die Formalitäten: Salaam aleikum. Aleikum as salaam. Wie geht’s? Wie läuft das Geschäft? Wie geht’s der Familie? Alles gesund? Und sie ließen sich vom Restaurant unten Tee servieren, Paani Kum, der ihnen von einem freischaffenden Pfeifenwallah extra rasch gebracht wurde. Die Khana füllte sich mit Kunden, weshalb Khalid immer noch nicht reden wollte, also schlug Rashid vor, einen Moment auf den Balkon zu gehen, um dort den milchigen Chai zu trinken, und erst dann ergriff Khalid das Wort.
»Viel besser, Rashidbhai, hier auf deinem Balkon sind wir so ungestört, dass ich dir meine Neuigkeiten erzählen kann.«
»Erzähl. Moment noch.« Rashid sagte ein paar Worte zu Bengali, irgendwas darüber, dass er den Kochtopf für die zweite Ladung Chandu vorbereiten solle, eine völlig unnötige Anweisung: Bengali hatte es noch nie vergessen.
»Okay.«
»Sam Biryani ist an mich herangetreten. Du hast bestimmt schon von ihm gehört. Sein Name steht ständig in der Zeitung.«
»Viel zu oft.«
»Er hat mir ein Angebot gemacht, sehr gute Bedingungen für eine Garad-Pipeline von Tardeo nach Nagpada.«
»Nimm an, wenn die Bedingungen so gut sind.«
»Deshalb bin ich hier. Ich habe das Thema ja schon öfter angeschnitten, aber du hast mir noch nie eine richtige Antwort gegeben. Mein Vorschlag wäre, wir machen das zusammen. Garad ist die Zukunft unseres Geschäfts.«
»Deine Topi ist aus Fell, oder? Wird dir damit bei diesem Wetter nicht zu warm?«
»Die Kappe isoliert, Bhai, im Winter wie im Sommer, deshalb tragen wir Kashmiri sie ja.«
»Und deshalb seid ihr Kashmiri so hitzköpfig. Setz sie hin und wieder ab, Miya, das macht das Leben leichter. Aber höre mir zu: Ich werde hier kein Pulver verkaufen.«
»Du nimmst es, willst es aber nicht verkaufen?«
»Ich nehme es mit Vorsicht.«
»Das sagen alle. Was ist mit dem Paschtunen? Mit Kader Khan? Ich versuche mich gerade zu erinnern, wie schnell es mit ihm zu Ende ging. Sechs Monate? Oder weniger? Was für ein Dada, und sieh ihn dir jetzt an, ein Khatarnak-Junkie.«
»Darüber willst du mit mir reden? Willst mir einen Vortrag halten, wie gefährlich Drogen sind?«
»Du bist ein gebildeter Mann. Du siehst die Dinge mit anderen Augen.«
»Du meinst, dass ich irgendwas
nicht
sehe, oder?«
»Ich meine, du solltest deine Geschäfte ausdehnen, neue Märkte erschließen.«
»Garad trennt die Starken von den Schwachen und bringt das Schlechte wie das Gute im Menschen zum Vorschein. Deshalb war der Paschtune auch so schnell erledigt, er war von innen hohl.«
»Und du?«
•••
Rashid schaute auf die Straße. Bei einem Abfallhaufen an der Kreuzung Shuklaji Street und Arab Gully hockte eine Bettlerin über einer Pfütze. Sie war dunkelhäutig, ein wenig füllig und trug einen maßgeschneiderten, jetzt um die Hüfte hochgerafften Kamiz.
Entleeren
. Das korrekte Wort für das, was sie tat. Ihm fiel auf, wie elegant ihr Haar geschnitten war, über den Ohren kurz, mit spitzen Strähnen davor und einem kleinen Schwanz hinten. Die Pfütze unter ihr wurde größer, und die Passanten traten kommentarlos darüber hinweg. Dann hob die Frau den Kopf, und ihre Blicke begegneten sich, doch war da keine Verlegenheit in ihrem Gesicht, nur verständnisvolle Klugheit. Vom Balkon konnte er nach nebenan in Khalids Khana sehen. Der Raum war kleiner; es gab nur eine einzige Pfeife und keine Kunden, niemanden, nur der Pfeifenwallah war da. Bei Rashid ging es dagegen schon lebhaft zu, eine Gruppe spanisch sprechender Hippies hatte sich um eine Pfeife versammelt, Studenten vom Wilson College um eine andere. Dawood Chikna, aufstrebender Geschäftsmann und Gangster, wartete darauf, an die Reihe zu kommen, genau wie Bachpan, ein Zuhälter, samt Freund und Partner, dem Taschendieb Pasina. Der Letzte in der Reihe war jemand mit Spitznamen Spiderman, da er auf allen vieren kroch. Auch Salim war dort, in neuem Hemd, einem gestärkten gelben Modell mit Taschenklappen und großem Kragen. Er lag an Dimples Platz und war in ein Gespräch mit der Kaamvali versunken. Rashid hätte gern gewusst, worüber sie redeten, konnte aber nur Khalid hören, der sagte, ein
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