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Narcopolis

Narcopolis

Titel: Narcopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeet Thayil
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bei einem NA -Treffen in Mahim getan hatte, der Raum hell erleuchtet, über dem heruntergekommenen Strand ein glühendes, rotes Neonkreuz: Vater unser, der du bist im Smack, geheiligt sei dein Smack, dein Smack ist sauber, dein Smack ist gut, dein Smack geschehe jetzt und in der Stunde unseres Todes.
A – men
, ach Männer, ach Frauen auch. Hatte es so feierlich gesagt, dass niemand Anstoß daran nahm, nicht mal die Kattolicken, hatte er doch die Hände gefaltet und seiner Stimme einen frömmlerischen, schmeichlerischen Ton verliehen. Und natürlich: Er hatte vor dem Treffen geraucht. Und natürlich: Es war das Heroin, das ihn mit warmen, kameradschaftlichen Gefühlen für diese Versammlung von selbstsüchtigen Egomanen füllte, aus denen sich die Reihen der verdammten Anonymen Narkotiker vorwiegend füllten. Und schließlich und endlich natürlich: Es war das Heroin, sagte Rumi, und schaute Dimple ohne zu blinzeln in die Augen, schaute sie so unverwandt an, dass sie seinen Blick erwidern musste. Ihr fielen seine ungewöhnlich langen Wimpern auf, wie bei einem Mädchen, doch hätte sie nicht sagen können, von welcher Farbe seine Augen waren, da ihm Rauch aus den Ohren troff und sich in Wolken um seine Haut sammelte, schwerer Rauch, der ihm aus den Poren zu Boden fiel, die Ecken des Raumes füllte und inwärts drängte. Als der Rauch bis an ihre Lippen stieg, schmeckte sie Gülle, stand auf, ging zur Tür und stürzte blindlings nach unten, aber da wurde der Rauch noch dicker, also floh sie in die andere Richtung, floh an ihrer Tür vorbei, vorbei an Rashids Tür hinauf aufs Dach, von wo aus sie sah, dass die Straße, die Stadt und womöglich die Welt in ihrer unvorstellbaren Gänze im Rauch ertrank, und obwohl sie zu kaum auszumachenden Gestalten herunterschrie, schrie, bis sie heiser war, konnte niemand sie hören, denn jetzt war der Rauch auch in ihrem Mund, stieg ihr in die Nase und füllte sie mit seinem weißen, lebenden Dampf.

5 »Dum Maro Dum«
    Eines Tages führte Rashid sie aus. Er sagte, er wolle tun, was arme Leute tun, wolle in Chowpatty die Luft essen und den Wind trinken und sich vergnügen. Sie dachte, was für ein Bollywoodgefasel. Trotzdem gefiel ihr der Ton seiner Worte, die Atmosphäre, die er heraufbeschwor, und sie zog sich den schwarzweißgetupften Chiffonsari an, das Fröhlichste, was sie besaß. Sie fuhren mit dem Taxi zum Strand und ließen den Fahrer warten, während sie über den Sand spazierten. Rashid nahm eine Triple Five aus der Packung, rauchte und steckte sich am Stummel die Nächste an. Er rauchte ununterbrochen, solange sie am Strand waren, kaum zwanzig Minuten, dann wollte er irgendwo einkehren, um etwas zu trinken, vielleicht einen Scotch, sagte er, oder einen Honeydew Brandy, wäre doch auch gut für dich, ein Schluck Brandy, nein? Sie schlug stattdessen ein Lassi vor. Also gingen sie zu Rajasthan Lassi; leider war es für Chikkus nicht die richtige Jahreszeit. Das im Glas servierte Lassi war dick wie Eiscreme, nur besser, und der Löffel blieb darin stehen. Sie saßen hinten im Taxi und tranken zwei, ein Lassi nach dem anderen, auch der Fahrer hatte eines. Dann fuhren sie zum Opera House, um sich Rashids allerliebsten Lieblingsfilm anzusehen:
Hare Krishna, Hare Ram
. Er war schon mindestens zehn Jahre alt, also mussten sie nicht anstehen und die Tickets schwarz kaufen. Er hatte ihn bereits viele Male gesehen und kannte sämtliche Liedtexte auswendig, auch einen Großteil der Dialoge, die er laut mitsprach, meist die von Dev Anand, obwohl er den Schauspieler nicht mochte.
    »Er ist ein Chooth, sieh ihn dir doch an, wackelt durch die Gegend wie eine Schwuchtel.«
    Sein Lieblingssong war ›Dum Maro Dum‹, in dem eine Horde indischer Hippies endlos Schillums raucht und die Hauptdarstellerin Playback zu Asha Bhosles Stimme singt, wobei Asha klingt, als hätte sie die letzten drei Nächte durchgemacht und zu viel Opium geraucht, zu viel billigen Whisky getrunken. Dimple gefiel die Musik, der bekiffte Singsang.
    Duniya ne hum ko diya kya?
    Duniya se hum ne liya kya?
    Hum sub ki parva kare kyun?
    Sub ne humara kiya kya?
    Tagelang ging ihr der Song nicht mehr aus dem Kopf, obwohl ihr der Text nichts sagte. Sie sah bloß eine Gruppe reicher Kids, die in den Bergen Charas rauchten, sah, wie schön sie waren, und hörte sie lachen. Sie mussten nicht arbeiten und hatten doch genug Geld, hatten Freunde, schicke Kleider und Familien, die sich um sie sorgten. Warum also steckten sie so

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