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Narcopolis

Narcopolis

Titel: Narcopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeet Thayil
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angezogen und sich auch gleich nicht mehr wie ein Bürohengst gefühlt. In der Küche fiel sein Blick auf den Geschirrberg im Spülbecken, und er sah sich nach Kakerlaken um. Keine zu sehen, aber sie würden gewiss in Scharen einfallen, sobald er das Licht löschte. Sein Essen stand auf dem Herd, noch warm. Sie, seine Frau, hatte schon gegessen, denn Essen war für sie das größte Vergnügen ihres Lebens. Sie aß zu Mittag, stopfte sich voll, und fing dann schon an, vom Abendessen zu reden. Als gäbe es sonst nichts, was das Wachbleiben lohnte. Ach, was redete er denn da? Natürlich gab es noch was: das Fernsehen. Essen und Fernsehen, in der Reihenfolge, am liebsten aber beides zusammen. Er wärmte sich gelbes Daal auf sowie ein Gericht aus getrockneter grüner Paprika, stellte die Schüsseln auf ein Tablett, legte noch einige Rotlis dazu und trug das Essen ins Schlafzimmer, wo er sich auf einen Stuhl vor den Fernseher setzte und dabei das Tablett auf den Knien balancierte. Seine Frau trug dasselbe Nachthemd, das sie getragen hatte, als er am Morgen aus dem Haus ging. Sie telefonierte mit ihrer Tante in Delhi. Während des ganzen Essens redete sie auf Gujarati und starrte auf den Bildschirm. Das Gespräch kreiste schier endlos um ein sich stetig ausweitendes Menü aus Rotlis und Rotlas, Bakhris, Theplas, Undhyu und Chaas. Jedes neue Thema führte irgendwann zurück zum Essen. Mittlerweile verstand er die Sprache gut genug, um eine Ahnung davon zu haben, worum es ging. Seine Frau erzählte ihrer Tante, wie sehr sie die Mango Ras vermisste, die ihre Tante immer gemacht hatte, und in ihren Augen war ein Leuchten, als redete sie über Sex oder Gott. Nach einer Weile hielt sie den Hörer mit der Hand zu und flüsterte, im Kühlschrank sei noch Eiscreme. Seine Frau war eine Jain: Es gab vieles, was ihre Familie nicht aß, eine erstaunliche Bandbreite völlig harmloser Dinge. Eiscreme kam überhaupt nicht in Frage, da sie mit Eiern gemacht wurde. Kamen ihre Eltern zu Besuch, durchforstete sie die Küche und versteckte Kartoffeln, Knoblauch oder Zwiebeln, denn in den Augen ihrer Familie waren Nicht-Jains verseucht, verpestet, verdammt, weshalb nur ein minimaler Unterschied zwischen einer solchen Person und einem Unberührbaren bestand. Rumi hatte seine Frau als Student am Elphinstone College kennengelernt, und als sie beide, nach seiner Rückkehr von einem Jahr in den Staaten, zu heiraten beschlossen, gab es Tränen und Drohungen seitens der Eltern seiner Frau, deren Widerstand auf der einen, unveränderbaren Tatsache gründete, dass der künftige Schwiegersohn nicht ihrem Glauben angehörte. Es war sinnlos, sie darauf hinzuweisen, dass er Brahmane war, sinnlos, ihnen zu sagen, dass er von den Rishis abstammte, was stimmte, ein reiner Arier, einer der Auserkorenen. Was mehr, fragte er Dimple, könne eine Frau verlangen? Nach dem Essen stellte er das Geschirr in die Spüle und sagte, er gehe spazieren. Und er verschwand aus dem Haus, ehe es zu einem Schlagabtausch mit seiner Frau kam, ehe er ihr sagte, sie solle hin und wieder mal baden, sich umziehen und wie ein Mensch benehmen. Denn dann finge sie gleichfalls an, erwiderte, sie werde sich erst wie eine Frau benehmen, wenn er sich wie ein Mann benehme, manchmal mit ihr ausginge und Geld nach Haus brächte, statt ihres auszugeben. Um den Kopf freizubekommen, schob er im Auto
Band of Gypsies
ein, drehte voll auf und fuhr schlecht, was er, wie Dimple fand, mit Stolz verkündete, denn er grinste und tat, als schaltete er von einem in den anderen Gang. Er ließ das Fenster herunter, als er das Meer sah, wendete am Otter’s Club und fuhr die Carter Road Promenade entlang, auf der die Vorzeigebürger ihren Abendspaziergang machten. Er parkte schräg, damit kein Cop sehen konnte, wie er zwei Pudis in eine Zigarette leerte. Dann ließ er sich einen Moment Zeit, um vom Thema abzuweichen, erzählte Dimple, dass er die eintausendundeinen Namen Gottes kenne und auch die eintausendundeinen Namen für Heroin, und wenn er sie manchmal durcheinanderbringe, etwa während einer Aarti, wenn er zum Beispiel Satyam sagte, Sharam, Sundaram – Wahrheit ist Heroin ist Schönheit –, dann wusste er, das war erlaubt, da sowieso niemand zuhörte, ihm jedenfalls nicht. Er wollte eigentlich nur wissen, wie die Worte in seinen Kopf kamen. Woher kamen sie, diese Sätze, so vollständig ausformuliert, als würden sie von einer göttlichen Stimme verkündet? Warum sagte er etwa, wie er es eines Abends

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