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Narcopolis

Narcopolis

Titel: Narcopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeet Thayil
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Fotze, sonst aber nichts zu tun. Beweg dich nicht, sagte er, beweg nichts außer deinen Fingern. Dann durchsuchte er den kleinen Raum, riss Schubladen auf, holte Kräutermassageöl heraus, Handtücher, Haarfärbemittel, Haarwachs und warf alles auf den Boden. Ein Glas Henna ging zu Bruch, die Flaschen mit dem Massageöl aber blieben heil, und Rumi fuhr fort, sich wie ein Wilder aufzuführen, öffnete und schloss, warf mit dem Zeug um sich. Dann nahm er plötzlich einen Geruch wahr, scharfe Körperausdünstung vermischt mit dem unverkennbaren Gestank der Angst. Mann, dachte er, als er sah, dass sich die Augen des Mädchens mit Tränen füllten und eine fingernagelgroße Narbe an ihrer Stirn dunkel anlief. Hübsch war sie nicht, und wenn sie weinte, war sie sogar hässlich. Sag, wo ist es, befahl er, doch die Augen des Mädchens rollten nach hinten, die Arme fielen herab. Hör nicht auf, dich zu streicheln, herrschte er sie an, und schlug ihr mit der flachen Hand auf den Arsch. Sie hatte zu große Angst, um den Mund aufzumachen, aber sie versuchte, ihm etwas zu sagen; das Rollen der Augen war eine Botschaft, nicht Vorspiel einer Ohnmacht. Er schaute zur Seite und fand den Schrein. Hinter dem Bild von Ganesh und einigen Räucherstäbchen lag eine Schachtel mit dreitausendsechshundert Rupien. Ist das alles? Mehr ist nicht da, erwiderte das Mädchen auf Hindi. Hast du selbst nichts? Sie schüttelte den Kopf. Er fand hundertneunzig Rupien in der Tasche ihrer Hose, die er in seine Brieftasche steckte. Mit etwas Glück gebe ich dir vielleicht ein Trinkgeld, sagte er, aber erst will ich eine Ganzkörpermassage. Leg für mich ein frisches Handtuch auf die Liege. Diese Anweisung schaffte Klarheit in ihrem Kopf, denn dadurch wurde seine Anwesenheit im Salon zu etwas Beruflichem: Er war Kunde, sie Masseurin. Und sie glaubte nun zu wissen, was von ihr erwartet wurde, auch wenn das Wissen nicht half, die Angst zu lindern. Sie bat ihn, sich zu entkleiden, und wandte den Blick ab, als er sich bis auf die Unterhose auszog.
    »Aapka naam, Sir?«, fragte sie.
    »Rumi. Nein, Ramesh wollte ich sagen.«
    »Aap Mohammedan hai?«
    »Nein.«
    »Ich heiße Zoya.«
    »Zoya.«
    »Zoya Shaukat Ali, Muslima.«
    »Moment mal, habe ich nach deinem Namen gefragt?«
    »Ji, nahi.«
    »Warum sagst du ihn mir dann? Glaubst du, der interessiert mich? Und warum hast du gefragt, ob ich Muslim bin?«
    »Aapka, naam, Sir. Tut mir leid.«
    »Ich heiße Ramesh. Kapiert?«
    »Haan, ji.«
    »Hast du Kokosöl?«
    »Ji, Sir.«
    »Zieh das da aus, das auch, öl dich ein. Mach schon, mehr, noch mehr.«
    »Ji, Sir.«
    »Du riechst schlecht.«
    »Ji?«
    »Dein Schweiß riecht scheußlich. Warum?«
    »Nahi, Sir.«
    »Sag mir, warum.«
    »Nahi.«
    »Weil du zu viel Fleisch isst.«
    »Ich? Nein, Sir, ich esse nicht zu viel.«
    »Nix da nein, Sir. Ja, Sir.«
    »Ja, Sir.«
    »Riech meine Haut. Mach schon. Siehst du? Kein schlechter Geruch. Und warum? Weil ich mich rein vegetarisch ernähre. Nimm beide Hände. Und nicht meine Brustwarzen berühren.«
    Die junge Frau sagte: »Handmassage mit linker Hand se hotha hai, mit rechter se khana katha hai, Sir.«
    »Rechts, links, hältst du dich für eine Hindu? Nimm die andere Hand, nimm beide.«
    Er starrte sie ungläubig an, und als er sie mit dem Finger fickte, schrie sie mäh, mäh, mäh wie eine kleine Ziege.
    Das Nebengebäude war ein großer Saal mit hoher Decke und Klappstühlen statt Kirchenbänken. Die Treffen der Anonymen Narkotiker wurden hier abgehalten, auch die wöchentlichen Rentnertreffs. Der große Raum war leer bis auf den roten, verschlissenen Teppichboden und ein Kreuz an der Wand, nur das Kreuz, keine Christusfigur. Die Einführung hielt Father Fo, jener Mann, der gestattet hatte, dass Safer in der Kirche ein Center eröffnete. Wegen seiner Arbeit mit Senioren und Drogenabhängigen war Father Fos Gesicht regelmäßig in Presse und Fernsehen zu sehen. Auf den Plakaten zum Jahrmarkt prangte sein Name in nur unwesentlich kleineren Lettern als jene, die das Ereignis selbst ankündigten. Father Fo erhob sich, um in einem verblüffend vollen Bariton »Führe mich, freundliches Licht« zu singen. Die Jungs in Tarnklamotten stimmten ein. Nach dem Choral bedankte er sich bei den Sängern, die zurück auf ihre Plätze gingen, und sagte: Es ist mir eine große Freude, einen jungen Mann ankündigen zu dürfen, der uns zu ähnlichen Gelegenheiten hoffentlich noch oft beehren wird. Als Soporo zur Bühne ging, ließ er sich

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