Narcopolis
Zeit und wartete, bis völlige Stille herrschte. Dann schaute er ins Publikum, blickte sich um und sagte: Ich habe Ihnen eine Frage zu stellen, ein Geständnis zu machen und am Ende eine Klage vorzubringen. In den Reihen der Safer-Jungs brandete vereinzelt Applaus auf, aber Soporo senkte den Blick und schaute auf seine Hände; der Beifall verstummte.
Er sagte, als er zu diesem Treffen aufgebrochen sei, habe er eine ungefähre Vorstellung von der Rede gehabt, die er halten wollte, eine Rede über Musik und Zeit, doch als er sich im Saal umschaute, habe er gemerkt, wie unbedeutend sein Thema war und dass es niemanden interessieren würde, jedenfalls kaum länger als fünf Minuten. Sofern man sich später überhaupt daran erinnerte, dann höchstens als an eine Art dummes Rätsel. Wieder hielt er inne und schaute auf seine Hände, als hätte er etwas vergessen. Ich glaube, heute gibt es Wichtigeres, über das wir reden müssen, fuhr er fort. Und dann sprach er darüber, was Freiheit bedeutet, also über das Spiel des freien Willens gegen die Gewohnheiten des Körpers, dagegen, Heroin zu rauchen oder zu spritzen. Beim Wort Heroin durchfuhr den Saal eine leichte Veränderung, fast, als hätte jeder Zuhörer tief Luft geholt oder sich auf seinem Sitz geräkelt. Lassen Sie mich mit einer Frage beginnen. Stimmt es, dass die Einnahme von Heroin eines der mächtigsten Beispiele für den freien Willen ist? Ich denke, vieles spricht für diese Behauptung. Alle Konsumenten wissen, wie süchtig die Droge macht und wie gefährlich sie ist. Überdosis, Infektion, Verbrechen – wir wissen, wir riskieren unser Leben, dennoch entscheiden wir uns dafür. Hier legte Soporo eine Pause ein und starrte die Safer-Jungs an, vielleicht auch einen Punkt gleich hinter ihnen, so, als läse er von einem Teleprompter ab, danach näherte er sich dem Thema auf einem Umweg. Er erwähnte einen Beitrag, in dem behauptet wurde, es sei die schmerzstillende Eigenschaft der Droge, die so abhängig mache, und dass sie, sollte es Wissenschaftlern gelingen, ihr schmerzstillendes Element zu isolieren und zu neutralisieren, ohne Angst vor der Sucht eingenommen werden könne. Nur warum hat dies noch kein Wissenschaftler getan, warum wurde noch keine Version der Droge synthetisiert, die allein Vergnügen bereitete, soll heißen, Vergnügen ohne Reue? Weil der Wissenschaftler damit in den Bereich der Ethik vordränge, in Gottes Reich; er würde das Böse eliminieren und allein das Gute zurücklassen oder, anders ausgedrückt, er würde den Teufel beseitigen, so dass nur Gott bliebe, und dies sei etwas, das keine Regierung und keine religiöse Institution gutheißen und wofür sie erst recht nicht aufkommen könne. Das System basiert auf der Überzeugung, dass jede Tat Konsequenzen habe, und Konsequenzen sind, wie die meisten von uns wissen, nur ein anderes Wort für den Teufel. Lassen Sie mich nun ein wenig über Gott reden. Ich möchte an den Schock erinnern und an die Angst, die Gott empfand, als er begriff, dass er nicht der einzige Gott auf Erden war. Woher wir das wissen? »Ich bin ein eifersüchtiger Gott; du sollst keine anderen Götter neben mir haben«, sagte er den Engeln und ließ somit durchblicken, dass es tatsächlich andere Götter gab; warum hätte er sonst eifersüchtig sein sollen? Wie aber kann es Freiheit geben, solange es Eifersucht gibt? Und wenn Gott nicht frei ist, wie kann da der Mensch erwarten, frei zu sein? Entschuldigen Sie mich kurz, sagte Soporo, und ging gemächlich zu seinem Stuhl zurück, nahm eine Flasche Wasser aus seiner Tasche und kam wieder zur Bühne, einer freien Fläche am Kopfende des Saales. Es gab weder Pult noch Mikrophon. Er trank, schluckte bedächtig, stellte die Flasche vor sich auf den Boden und sagte, es sei durchaus möglich, dass ein Wissenschaftler eines Tages die gute Tat vollbringe, doch bis dahin mache Heroin extrem abhängig. Und dann sagte er: Das Interessante aber ist, dass wir uns dafür entschieden haben und weiterhin dafür entscheiden. Ist dies ein Beispiel für die Ausübung des freien Willens? So lautet meine Frage. Und zweitens: Sind Süchtige frei? Sind sie wirklich so frei wie sonst kein Mensch?
•••
Er fuhr mit dem Taxi zum Rajesh Khanna Park und ließ es warten, während er in den Murugan Chawl ging, den Tamil-Slum, um sich ein Fünf-Gramm-Päckchen zu holen. Der Frau, die ihm das Smack verkaufte, hing ein Baby an der Brust; er setzte sich auf den Boden, schniefte eine Line vom
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