Narkosemord
erschienen.
Bill Doherty hielt die 5-ml-Spritze gegen die Deckenlampe im Anästhesieraum und tippte leicht gegen den Zylinder. Die wenigen Luftblasen lösten sich von der Innenwand des Zylinders und stiegen an die Oberfläche. Die Spritze enthielt 2 ml Spinalmarcain mit Epinephrin.
Dr. Doherty war mit den Vorbereitungen für die Verabreichung der kontinuierlichen Epiduralanästhesie bei Karen Hodges so gut wie fertig. Alles lief glatt und nach Plan. Die Spritze, mit der er ihr vorab das Lokalanästhetikum injiziert hatte, hatte ihr nicht im geringsten weh getan. Die Epiduralnadel war sauber durchgedrungen. Da der Kolben der kleinen Glasspritze beim Herunterdrücken keinen Widerstand geboten hatte, konnte Dr. Doherty sicher sein, daß die Nadel in den Epiduralraum eingedrungen war. Eine anschließend verabreichte Testdosis hatte dies ebenfalls bestätigt. Und der kleine Epiduralkatheter schließlich war geradezu in die Kanüle hineingeflutscht. Jetzt brauchte er sich nur noch zu vergewissern, daß der Katheter im Epiduralraum war. Sobald er das getan hatte, konnte er die therapeutische Dosis injizieren.
»Na, wie geht’s uns denn?« fragte Dr. Doherty Karen. Karen lag auf der rechten Seite, mit dem Rücken zu ihm. Er würde sie in Rückenlage bringen, sobald er ihr das Anästhetikum injiziert hatte.
»Ich fühl’ mich soweit okay«, antwortete Karen. »Sind Sie schon fertig? Ich spüre noch immer nichts.«
»Das sollen Sie jetzt auch noch nicht«, sagte Dr. Doherty.
Er injizierte die Testdosis und pumpte gleich danach die Blutdruckmanschette auf. Weder der Blutdruck noch die Pulsfrequenz veränderten sich. Während er wartete, bereitete er einen kleinen Klebeverband zum Fixieren des Katheters vor. Nachdem ein paar Minuten verstrichen waren, kontrollierte er erneut den Blutdruck. Er war unverändert geblieben. Er prüfte das Tastempfinden in Karens unteren Extremitäten. Es war keine Anästhesie festzustellen; das bedeutete, daß der Katheter ganz sicher nicht in dem Bereich war, in dem spinale Anästhesie verabreicht wurde. Er war zufrieden. Der Katheter mußte im Epiduralraum sein. Alles war bereit für die Hauptinjektion.
»Meine Beine fühlen sich vollkommen normal an«, klagte Karen. Sie machte sich immer noch Sorgen, daß die Narkose bei ihr nicht wirken würde.
»Das hat schon seine Richtigkeit«, beruhigte sie Dr. Doherty. »Ihre Beine dürfen sich jetzt noch gar nicht anders anfühlen. Erinnern Sie sich an das, was ich Ihnen am Anfang gesagt habe.« Er hatte Karen genauestens beschrieben, was sie zu welchem Zeitpunkt fühlen würde. Aber er war nicht überrascht, daß sie es vergessen hatte. Er hatte Nachsicht mit ihr; er wußte, daß sie sich ängstigte.
»Na, wie sieht’s aus?«
Dr. Doherty blickte auf. Es war Dr. Silvan; er hatte bereits seine OP-Kleidung an.
»In zehn Minuten sind wir soweit«, teilte Dr. Doherty ihm mit. Er wandte sich wieder zu seinem Edelstahltisch um, nahm die 30-ml-Ampulle Marcain und prüfte noch einmal das Etikett. »Ich bin gerade im Begriff, die therapeutische Dosis zu injizieren«, fügte er hinzu.
»Gutes Timing«, sagte Dr. Silvan. »Ich bin auch gleich soweit, und dann können wir loslegen. Je eher wir anfangen, desto eher sind wir fertig.« Er tätschelte Karens Arm. »Und Sie entspannen sich jetzt schön, okay?«
Dr. Doherty brach den Hals der Ampulle ab und zog das Marcain auf eine Spritze. Aus Gewohnheit tippte er noch einmal gegen den Rand der Spritze, um eventuelle Luftblasen zu entfernen, obwohl es nichts weiter ausmachen würde, sollte etwas Luft in den Epiduralraum geraten. Es war mehr die Macht langjähriger Gewohnheit.
Dann beugte er sich leicht vor, setzte die Spritze auf den Epiduralkatheter und begann, das Marcain gleichmäßig zu injizieren. Der geringe Querschnitt des Katheters erzeugte einen gewissen Widerstand, und er verstärkte den Druck auf den Kolben ein wenig. Er war gerade am Anschlag angekommen, als Karen sich plötzlich bewegte. »Noch nicht bewegen!« ermahnte er sie. »Ich habe einen fürchterlichen Krampf!« schrie Karen. »Wo?« fragte Dr. Doherty. »In den Beinen?«
»Nein, im Magen«, preßte Karen hervor. Sie stöhnte auf und streckte die Beine.
Dr. Doherty faßte sie bei der Hüfte, um sie ruhigzuhalten. Eine OP-Schwester, die danebengestanden hatte, um notfalls Hilfestellung zu leisten, beugte sich hastig über sie und packte sie bei den Fußgelenken.
Trotz Dr. Dohertys Versuch, sie mit der freien Hand festzuhalten,
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