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Narkosemord

Titel: Narkosemord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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es wert.
    Overstreet war in weniger als zehn Minuten angezogen. Als er bereit war, ließ er den Pfleger mit der Herzmassage aufhören; er deckte die Patientin ab und schnitt sie auf. Sekunden später hielt er Pattys Herz in den Händen.
    Er massierte das Herz mit seiner behandschuhten Hand und injizierte noch einmal Epinephrin direkt in den linken Herzkammer-Ventrikel. Als dies ohne Wirkung blieb, versuchte er, das Herz in Gang zu bringen, indem er interne Elektroden an die Herzwand anlegte. Das Resultat war ein Ausschlag auf dem Monitor, aber das Herz selbst reagierte nicht.
    Overstreet nahm die interne Herzmassage wieder auf. »Es soll kein Wortspiel sein«, sagte er nach zwei Minuten, »aber ich bin hier nicht mehr mit dem Herzen dabei. Ich fürchte, die Party ist zu Ende - es sei denn, ihr hättet hier noch ein Herz zur Transplantation in petto. Das hier ist jedenfalls hinüber.«
    Jeffrey wußte, daß Overstreet nicht gefühllos klingen wollte und daß seine scheinbar frivole Haltung eher ein Schutzmechanismus als ein echter Mangel an Mitgefühl war, aber seine Worte trafen ihn doch bis ins Mark. Er mußte sich beherrschen, um nicht verbal loszuschlagen.
    Auch wenn er aufgegeben hatte, setzte Overstreet seine interne Herzmassage fort. Das einzige Geräusch im OP kam von dem Monitor, der die Entladungen des Schrittmachers aufzeichnete, begleitet vom leisen Summen des Puls-Oximeters, der auf die interne Massage reagierte.
    Simarian war es, der das Schweigen brach. »Ganz meiner Meinung«, sagte er schlicht und riß sich die Handschuhe herunter.
    Overstreet blickte zu Jeffrey hinüber. Jeffrey nickte. Overstreet stellte seine Massage ein und nahm die Hand aus Pattys Brustraum. »Sorry«, sagte er.
    Jeffrey nickte noch einmal, holte tief Luft und schaltete das Beatmungsgerät ab. Er warf noch einen Blick auf die traurigen Überreste Patty Owens, die mit roh aufgeschlitztem Leib und Brustraum auf dem Tisch lag. Es war ein schrecklicher Anblick, den Jeffrey für den Rest seines Lebens nicht vergessen würde. Der Fußboden war von Ampullen und Packungen übersät.
    Jeffrey fühlte sich niedergeschlagen und taub. Dies war der Tiefpunkt seiner beruflichen Laufbahn. Er hatte schon andere Tragödien miterlebt, aber keine so schlimme und unerwartete wie die hier. Sein Blick wanderte zum Narkoseapparat. Auch er war mit Müll bedeckt. Unter dem Müll lag das unvollendete Anästhesieprotokoll. Er mußte es noch aktualisieren. Bei seinen fieberhaften Versuchen, Patty zu retten, hatte er dazu keine Zeit gehabt. Er suchte die halbleere Marcain-Ampulle, erfüllt von einer irrationalen Abscheu. Obwohl es im Licht der Testdosisresultate wenig plausibel erschien, hatte er das Gefühl, daß eine Reaktion auf das Medikament die Wurzel dieser Tragödie gewesen war. Am liebsten hätte er die Ampulle an die Wand geschleudert, nur um seiner Frustration Luft zu machen. Natürlich wußte er, daß er es nicht wirklich tun würde; dazu war er zu beherrscht. Aber in all dem Müll konnte er sie gar nicht erst finden.
    »Sheila? Wo ist die Marcain-Ampulle geblieben?«
    Sheila, die gerade mit dem Aufräumen angefangen hatte, hielt in ihrer Arbeit inne und funkelte Jeffrey an. »Wenn Sie nicht wissen, wo Sie sie hingelegt haben - ich weiß es ganz bestimmt nicht«, erwiderte sie wütend.
    Jeffrey nickte und machte sich daran, Patty die Elektroden abzunehmen. Er konnte Sheilas Wut verstehen. Er war ja selbst wütend. Patty hatte ein solches Schicksal nicht verdient. Jeffrey wußte nicht, daß Sheila nicht dem Schicksal zürnte. Sie war wütend auf Jeffrey. Genauer gesagt, sie war rasend vor Wut.

 
    1
     
    Montag, 15. Mai 1989, 11 Uhr 15
     
    Ein Strahl der goldenen Morgensonne drang durch ein Fenster hoch oben in der Wand zu Jeffreys Linker und bohrte sich wie eine Messerklinge durch den Gerichtssaal. Wie ein Scheinwerferspot beleuchtete er die getäfelte Wand hinter der Richterbank. Millionen winziger Stäubchen tanzten funkelnd in dem intensiven Licht. Seit Beginn dieses Verfahrens hatte Jeffrey die theatralischen Qualitäten des Justizsystems bestaunt. Aber das hier war keine Nachmittagsserie im Fernsehen. Hier stand Jeffreys Karriere - und sein ganzes Leben - auf dem Spiel.
    Jeffrey schloß die Augen und beugte sich vor; er stützte die Ellbogen auf den Tisch und legte das Kinn in beide Hände. Dann rieb er sich heftig die Augen. Die Anspannung machte ihn verrückt.
    Er holte tief Luft und öffnete die Augen wieder; halb hoffte er, die Szene

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