Narkosemord
gemacht, und das mit nicht gerade schmeichelhaften Worten.«
Hervorragend, dachte O’Shea, als er wieder aufgelegt hatte. Kein Wunder, daß Mosconi nicht das Gefühl gehabt hatte, daß Carol und Jeffrey Rhodes zwei frisch verliebte Turteltauben waren. Das Ganze sah eher so aus, als hätten sie vor, sich zu trennen. Er hatte das Gefühl, daß er sein Geld zum Fenster rauswarf, wenn er Bartley weiter auf der Gehaltsliste behielt, und doch war er nicht bereit, das Risiko einzugehen, Carol Rhodes nicht zu beschatten. Jedenfalls noch nicht.
Als O’Shea die Eingangstreppe zu seinem Apartmenthaus am Monument Square hinaufstieg, waren seine Beine schwer wie Blei; er fühlte sich kaputt, als käme er gerade von der Schlacht von Bunker Hill. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letztemal sein Bett gesehen hatte. Er wußte, er würde eingeschlafen sein, noch ehe er sich die Decke über den Bauch gezogen hatte.
Er knipste das Licht an und verharrte einen Moment in der Tür. Seine Wohnung sah aus wie ein Saustall. Überall lagen Zeitschriften und leere Bierflaschen herum. Ein muffiger Geruch hing in der Luft, nach abgestandenem Bier und ungeleerten Aschenbechern. Unerwartet fühlte er sich auf einmal einsam. Noch vor fünf Jahren hatte er eine Frau gehabt, Kinder, einen Hund. Dann war die Versuchung gekommen. »He, Dev, sei kein Frosch. Was ist los mit dir? Erzähl mir nicht, du könntest die fünf Riesen extra nicht gut brauchen. Das einzige, was du tun mußt, ist, den Mund halten. Komm schon, wir machen das doch alle. Fast jeder in der Truppe.«
O’Shea warf seine Jeansjacke auf die Couch und kickte seine Cowboystiefel von den Füßen. Er ging in die Küche und nahm sich eine Dose Budweiser aus dem Kühlschrank. Dann kehrte er ins Wohnzimmer zurück und setzte sich in einen der abgewetzten Sessel. Die Erinnerung an die Vergangenheit machte ihn immer trübsinnig.
Das Ganze war eine Falle gewesen. O’Shea und eine Handvoll anderer Polizisten wurden angeklagt und aus dem Polizeidienst entfernt. O’Shea war auf frischer Tat mit dem Geld ertappt worden, als er damit gerade eine Rate auf das kleine Landhäuschen in Maine einzahlte, das er gekauft hatte, damit die Kinder in den Sommerferien aus der Stadt rauskamen.
O’Shea steckte sich eine Zigarette an, inhalierte tief und bekam einen Hustenanfall. Er beugte sich hinunter, drückte die Zigarette auf dem Fußboden aus und schnippte sie in die Ecke des Zimmers. Dann nahm er einen kräftigen Schluck aus seiner Bierdose. Das kalte Gebräu half das Kratzen in seinem Hals ein wenig lindern.
Zwischen ihm und Sheila hatte es immer mal Ärger gegeben, aber sie hatten sich stets wieder irgendwie zusammengerauft. Zumindest bis zu dem Schmiergeldskandal. Sie hatte die Kinder genommen und war nach Indiana gezogen. Es hatte ein Sorgerechtsverfahren gegeben, aber O’Shea hatte natürlich als Vorbestrafter mit einem Haftaufenthalt im Walpole-Gefängnis als Referenz nicht den Hauch einer Chance gehabt.
O’Shea dachte erneut über Jeffrey Rhodes nach. Wie sein eigenes, so war offenbar auch Rhodes’ Leben aus den Fugen geraten. O’Shea fragte sich, welcher Art von Versuchung Rhodes sich gegenübergesehen hatte, welche Art von Fehler er begangen hatte. Pfuscherei und Drogen, das klang nach einer merkwürdigen Kombination, und Rhodes sah für O’Shea ganz gewiß nicht wie ein Junkie aus. O’Shea mußte lächeln. Vielleicht hatte Mosconi doch recht. Vielleicht verlor er wirklich langsam seinen Biß.
Jeffrey ging mit sichtlich geringerem Enthusiasmus an die Arbeit, als er das in der Nacht zuvor getan hatte - zur außerordentlichen Freude Davids. Der hatte sogar wieder zu der freundlich-lockeren Art zurückgefunden, die er am Anfang an den Tag gelegt hatte. Er zeigte Jeffrey ein paar clevere Tricks oder »Arbeitserleichterungen«, wie er es nannte, die Jeffrey unwillkürlich an die Redensart vom »Schmutz unter den Teppich kehren« denken ließen.
In Anbetracht des Besuchs von O’Shea war der Gedanke, zur Arbeit zu müssen, für Jeffrey einer Heimsuchung gleichgekommen. Er war sicher gewesen, daß O’Shea irgendwo draußen lauern und ihn in dem Moment beim Schlafittchen packen würde, in dem er aus der Tür von Kellys sicherem Refugium kommen würde. Er hatte einen solchen Bammel gehabt, daß er überlegt hatte, ob er im St. Joseph’s anrufen und sich krank melden solle.
Wieder einmal hatte Kelly die perfekte Lösung gefunden. Sie erbot sich, ihn zur Arbeit zu fahren.
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