Narkosemord
letzten Neuigkeiten von daheim berichten ließ. Schließlich, nach einer kleinen Ewigkeit, legte er auf. Leicht genervt durch die Unterbrechung, ging Jeffrey zurück zu dem Schubfach, das er herausgezogen hatte. Es enthielt die Personalakten der einzelnen Angestellten, geordnet nach Abteilungen und nach alphabetischer Reihenfolge.
Jeffrey zog das nächste Schubfach auf und las die Aufschriften auf den Plastiklaschen, die die Kartei gliederten. Er wollte das Fach schon zuschieben, als sein Blick auf eine fiel, auf der Vereinigter Fonds stand.
Jeffrey zog die Akte heraus und ging mit ihr zu einem in der Nähe stehenden Schreibtisch. Sie enthielt einzelne Mappen, jeweils für die letzten sechs Jahre. Für Jeffrey war die für 1988 interessant. Er wußte, daß das Krankenhaus seine Sammlung für den Vereinigten Fonds immer im Oktober durchführte. September wäre ihm zwar lieber gewesen, aber er vermutete, daß sich in dem einen Monat nicht allzuviel verändert hatte. In der Mappe befanden sich Listen sowohl vom medizinischen Personal als auch von den nichtmedizinischen Mitarbeitern.
Er ging mit den Listen zum Kopierer und machte sich Abzüge. Dann ordnete er die Mappe und die Akten wieder exakt an derselben Stelle ein, wo er sie gefunden hatte, und verdeckte die Kopien unter den Putzlumpen auf seinem Karren. Einen Moment später war er auf dem Flur.
Jeffrey fuhr nicht sofort zum OP-Stockwerk zurück, sondern schob seinen Karren an den Notaufnahme-Behandlungszimmern vorbei zur Apotheke. Einer spontanen Eingebung folgend beschloß er, herauszufinden, wie weit er mit seiner Uniform vom Reinigungsservice kommen würde.
Die Apotheke hatte eine Theke, an der die von den einzelnen Abteilungen angeforderten Arzneimittel ausgegeben wurden. Sie sah fast so aus wie die in einer normalen Apotheke. Neben der Theke war eine Tür. Sie war abgeschlossen. Jeffrey stellte seinen Karren ab und versuchte sie aufzuschließen. Einer der Schlüssel paßte.
Jeffrey wußte, daß er ein Risiko einging, aber er hatte keine andere Wahl. Er schob seinen Wagen durch die Tür und den dahinterliegenden Hauptdurchgang. Links und rechts von diesem Hauptgang gingen mehrere Seitengänge mit Regalgestellen ab, die vom Boden bis zur Decke mit Arzneimitteln vollgepackt waren. Am Anfang jeder Regalwand waren Karten befestigt, auf denen die in der jeweiligen Reihe zu findenden Arzneimittel aufgelistet waren.
Den Karren weiterschiebend, ging Jeffrey langsam den Gang hinunter und las dabei sorgfältig die Karten an den einzelnen Regalgestellen. Er suchte nach den Lokalanästhetika.
Eine der Apothekerinnen vom Nachtdienst tauchte plötzlich hinter einer der Regalwände auf und kam Jeffrey entgegen. Sie hatte eine ganze Anzahl von Flaschen auf dem Arm. Jeffrey blieb stehen und suchte hastig nach einer Erklärung für seine Anwesenheit, aber die Frau nickte ihm lediglich einen flüchtigen Gruß zu und ging weiter zur Theke.
Einmal mehr verblüfft über die Bewegungsfreiheit, die seine Zugehörigkeit zur Putzkolonne ihm verschaffte, setzte Jeffrey seine Suche nach dem Regal mit den Lokalanästhetika fort. Er fand es schließlich fast am Ende des Raums. Die Lokalanästhetika befanden sich auf einem der unteren Regale. Darunter waren zahlreiche Anstaltspackungen Marcain in verschiedenen Dosierungskonzentrationen, darunter auch die 30-ml-Darreichungsform. Jeffrey machte sich mit einem staunenden Kopfschütteln bewußt, wie leicht sie zugänglich waren. Jeder Angehörige des pharmazeutischen Personals hätte jederzeit mit Leichtigkeit eine manipulierte Ampulle in eine der Schachteln schmuggeln können. Und ein Pharmazeut würde bestimmt auch über die nötigen Kenntnisse verfügen.
Jeffrey seufzte. Wie es aussah, erweiterte er den Kreis der Verdächtigen, statt ihn, wie er gehofft hatte, einzugrenzen. Wie konnte er unter diesen Umständen je hoffen, den Täter zu finden? Auf jeden Fall würde er in seine weiteren Überlegungen und Nachforschungen das Apothekenpersonal mit einbeziehen müssen. Was indessen gegen einen Täter aus dem Kreis des pharmazeutischen Personals sprach, war die Tatsache, daß jemand aus der Apotheke nicht die Art von Bewegungsfreiheit haben würde, wie sie ein Arzt hatte. Er mochte zwar freien Zugang zu allen Arzneimitteln in einem Krankenhaus haben, aber daß er in einer anderen Klinik genauso frei schalten und walten konnte, war höchst unwahrscheinlich.
Jeffrey wendete seinen Putzkarren und verließ die Apotheke. Auf dem Weg zum
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