Narkosemord
Jeffrey gefiel diese Idee erheblich besser, als sich in einen Bus oder in ein Taxi zu setzen. Gleichwohl hatte er zunächst versucht, Kelly diesen Vorschlag auszureden; es widerstrebte ihm, Kellys Leben in Gefahr zu bringen. Aber dann hatte er sich überlegt, daß sie relativ sicher sein würde, wenn er sich in ihrem Wagen versteckte, bevor sie aus der Garage fuhr. Falls O’Shea sie beobachtete, mußte er denken, daß Jeffrey zu Hause geblieben war. Und so hatte sich Jeffrey denn quer über den Rücksitz von Kellys Wagen gelegt, und Kelly hatte zur Sicherheit noch eine Decke über ihn gebreitet. Erst als sie ein gutes Stück vom Haus entfernt gewesen waren, hatte er sein Versteck verlassen und sich neben sie auf den Beifahrersitz gesetzt.
Gegen drei Uhr morgens kündigte David an, daß es Zeit für die »Mittagspause« sei. Jeffrey drückte sich wie schon in der vorangegangenen Nacht vor der Teilnahme an der allgemeinen Pausenrunde, was ihm einen langen, mißbilligenden Blick eintrug. Sobald David und die andern sich in den kleinen Aufenthaltsraum für das Reinigungspersonal zurückgezogen hatten, fuhr Jeffrey mit seinem Putzkarren hinunter zum ersten Stock.
Den Karren vor sich herschiebend, ging Jeffrey am Haupteingang vorbei und bog kurz darauf nach links in den zentralen Korridor. Ein paar Leute waren auf den Fluren unterwegs, zumeist Klinikangestellte, die zur Hauptcafeteria strebten, um dort »Mittag« zu machen. Wie gewohnt schenkte niemand Jeffrey die geringste Beachtung, trotz des Lärms, den die Rollen seines Putzkarrens auf dem Boden veranstalteten.
Jeffrey hielt vor dem Personalbüro an. Er war nicht sicher, ob seine Schlüssel ihm auch Zugang zu diesen Räumen verschaffen würden. Als er sich erboten hatte, dort zu putzen, hatte David ihm gesagt, daß die Verwaltungsräume der Klinik alle schon von der Abendschicht saubergemacht worden seien.
In der Hoffnung, daß niemand vorbeikommen würde, der mit den Arbeitsgepflogenheiten des Putztrupps vertraut war, probierte Jeffrey die verschiedenen Schlüssel an dem Bund, den David ihm ausgehändigt hatte. Es dauerte nicht lange, bis er einen gefunden hatte, der paßte.
Alle Lichter waren an. Jeffrey schob seinen Putzkarren hinein und schloß die Tür hinter sich zu. Mit seinem Karren von Raum zu Raum gehend, vergewisserte er sich, daß niemand anwesend war. Schließlich schob er seinen Karren zu Carl Bodanskis Büro.
Als erstes nahm Jeffrey sich Carl Bodanskis Schreibtisch vor. Er öffnete jede einzelne Schublade und stöberte sie durch. Er war nicht sicher, ob eine solche Liste, wie er sie suchte, überhaupt existierte, und wenn ja, wußte er nicht, wo sie aufbewahrt wurde. Was er wollte, war eine Liste des medizinischen Personals und der übrigen Angestellten vom Stand September 1988.
Als nächstes ging er an Bodanskis Computerterminal und spielte damit eine Viertelstunde herum. Aber auch hier hatte er kein Glück. Jeffrey war zwar vertraut mit dem Klinikcomputer, soweit es um Krankenberichte und Patientendateien ging, aber er kannte sich nicht mit den Systemen aus, die die Verwaltung und das Personalbüro verwendeten. Er vermutete, daß sie Codeschlüssel oder Passwords benutzten, aber da er sie nicht kannte, hatte er kaum eine Chance, Zugang zu den richtigen Dateien zu finden. Er probierte noch einen Moment ziellos herum, dann gab er es auf.
Anschließend wandte er sich einem großen Einbauschrank mit Aktenschubfächern zu. Jeffrey zog wahllos eines der Schubfächer heraus. In dem Moment ging die Haupttür zur Personalabteilung auf.
Jeffrey hatte gerade noch genug Zeit, um quer durch den Raum zu rennen und sich hinter der offenen Tür von Bodanskis Büro zu verstecken. Er hörte, wie die Person, die hereingekommen war, durch den äußeren Raum ging und sich an den Schreibtisch von Bodanskis Sekretärin setzte.
Jeffrey spähte durch den Ritz zwischen Tür und Türpfosten, aber er konnte lediglich die Umrisse der Gestalt erkennen, die sich an den Schreibtisch gesetzt hatte.
Als nächstes hörte er, wie der Telefonhörer abgehoben wurde, und dann vernahm er die melodischen Pieptöne, mit denen die Tasten des Tontelefons gedrückt wurden. Dann sagte eine Stimme: »Hallo, Mom! Wie geht’s dir denn so? Und wie ist das Wetter auf Hawaii?« Der Schreibtischstuhl von Bodanskis Sekretärin quietschte, der Anrufer lehnte sich zurück und kam so in Jeffreys Blickfeld. Es war David Arnold.
Jeffrey mußte zwanzig Minuten warten, während David sich die
Weitere Kostenlose Bücher