Narkosemord
Wahrheit zu sagen, Ihre Frau ist hier«, fuhr Bodanski fort. Er deutete auf die Doppeltür. »Sie fiebert danach, Sie zu sehen. Ich weiß, sie hat einige wichtige Dinge mit Ihnen zu bereden, aber ich hielt es für besser, Sie vorzuwarnen, als Sie unvorbereitet mit ihr zu konfrontieren.«
Jeffrey fühlte plötzlich, wie eine unheimliche Wut in ihm hochstieg - Wut auf diesen aufdringlichen Personalchef und auf Carol. Gerade jetzt, da er anfing, Fortschritte zu machen, mußte ihm das passieren.
»Haben Sie schon die Polizei angerufen?« fragte Jeffrey. Er versuchte, sich auf das Schlimmste gefaßt zu machen.
»Nein, natürlich nicht«, sagte Bodanski und ging zu der Doppeltür.
Jeffrey folgte ihm. Die Frage, die in diesem Moment sein Denken beherrschte, war, ob er es schaffen würde, die Katastrophe, die sich da anbahnte, irgendwie in Grenzen zu halten. Bodanski öffnete einen der Türflügel und trat beiseite, um Jeffrey hineingehen zu lassen. Auf seinem Gesicht lag die Art von gönnerhaft-väterlichem Lächeln, die Jeffrey ganz besonders haßte. Jeffrey trat in ein Konferenzzimmer mit einem langen Tisch, um den gepolsterte Stühle standen.
Aus dem Augenwinkel sah Jeffrey eine Gestalt auf sich zugestürzt kommen. Eine Falle! schoß es ihm durch den Kopf. Carol war gar nicht hier, das war O’Shea! Aber die Gestalt war eine Frau. Sie warf sich ihm an den Hals und schlang die Arme um ihn. Sie vergrub das Gesicht an seiner Brust und schluchzte.
Jeffrey schaute hilfesuchend zu Bodanski. Das war ganz eindeutig nicht Carol. Diese Frau war fast dreimal so dick. Ihr verfilztes Haar hatte die Farbe von gebleichtem Stroh.
Das Schluchzen der Frau begann nachzulassen. Sie löste eine Hand von Jeffrey und preßte ein Papiertaschentuch gegen ihre Nase. Sie schneuzte sich laut, dann hob sie den Kopf.
Jeffrey starrte in ihr breites, teigiges Gesicht. In ihren Augen, in denen einen Moment lang so etwas wie Wiedersehensfreude aufgeleuchtet hatte, blitzte jäh Zorn auf. Ihre Tränen versiegten genauso plötzlich, wie sie begonnen hatten.
»Sie sind nicht mein Mann«, sagte die Frau empört und stieß Jeffrey von sich.
»Nein?« fragte Jeffrey in hilfloser Verwirrung, krampfhaft versuchend, sich einen Reim auf diese verrückte Szene zu machen.
»Nein!« schrie die Frau, erneut von einem Ansturm von Gefühlen übermannt. Sie drang mit erhobenen Fäusten auf Jeffrey ein. Tränen der Wut und der Enttäuschung quollen aus ihren Augen und rannen ihr über die Wangen.
Jeffrey wich zurück hinter den Konferenztisch, während der völlig entgeisterte Personalchef versuchte, ihm zu Hilfe zu kommen.
»Sie haben mich reingelegt!« schrie die Frau heulend und stürzte sich mit trommelnden Fäusten auf Bodanski. Dann sank sie von Tränen überwältigt in seine Arme. Das war fast mehr, als der Mann verkraften konnte, aber schließlich schaffte er es doch irgendwie, den Fleischberg von einer Frau zu einem der Stühle zu wuchten, wo sie zu einem schluchzenden Haufen Elend zusammensackte.
Ein völlig verdatterter Bodanski zog sein weißes Tuch aus der Brusttasche seines Sakkos und tupfte sich den Mund an der Stelle ab, wo die Frau ihn mit ihrer Faust getroffen hatte. Ein paar Blutflecke erschienen auf der blütenweißen Seide.
»Ich hätte mir nie Hoffnung machen dürfen!« schluchzte die Frau. »Ich hätte wissen müssen, daß Frank nie im Leben eine Putzstelle in einem Krankenhaus annehmen würde.«
Jetzt endlich fiel bei Jeffrey der Groschen. Das war Mrs. Amendola, die Frau von dem Mann in dem zerlumpten Anzug! Nun, nachdem er endlich kapiert hatte, konnte Jeffrey nicht glauben, daß er nicht eher darauf gekommen war. Gleichzeitig begriff er aber auch, daß Bodanski nicht lange brauchen würde, um sich an fünf Fingern abzählen zu können, was passiert war. Und dann würde er unweigerlich die Polizei anrufen. Jeffrey würde sich schon eine tolle Geschichte ausdenken müssen, um sich aus dieser Situation noch einmal herauszuwinden - wenn ihm das überhaupt gelingen würde.
Während der Personalchef versuchte, Mrs. Amendola zu besänftigen, ging Jeffrey rückwärts zur Tür hinaus. Bodanski rief ihm nach, er solle warten, aber Jeffrey ignorierte seine Worte. Auf dem Flur angekommen, rannte er sofort weiter zum Haupteingang, darauf bauend, daß Bodanski sich genötigt fühlen würde, bei Mrs. Amendola zu bleiben.
Sobald er aus dem Gebäude heraus war, verlangsamte er seinen Schritt. Er wollte keinen Verdacht auf sich lenken und
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