Narkosemord
einem Freitagabend zu einer solchen Runde eingeteilt werden? O’Shea kramte nach der Karte, die ihm erlaubte, überall in der Stadt zu parken, aber der Grünschnabel weigerte sich, auch nur einen Blick darauf zu werfen.
»Fahren Sie weiter«, sagte er, und sein Ton klang schon weniger freundlich.
»Aber ich bin…«, setzte O’Shea zu einer Erklärung an. Doch dann hielt er inne. Das war jetzt nicht mehr wichtig. Rhodes war im Eingang der Einkaufsgalerie verschwunden.
»Und wenn Sie Gouverneur Dukakis höchstpersönlich wären«, sagte der junge Polizist. »Sie können hier nicht parken. Fahren Sie jetzt endlich!« Er deutete mit seinem Stab gebieterisch nach vorn.
Jetzt ist es sowieso egal, dachte O’Shea. Er mußte seinen Plan ändern. Er rutschte zurück auf den Fahrersitz, startete den Motor und drehte rasch eine Runde um den Block. Der Anblick von Kellys Wagen beruhigte ihn. Der kleine Zwischenfall mit dem Streifenpolizisten war am Ende vielleicht sogar besser für ihn gewesen. Wenn er Rhodes gefolgt wäre, hätte er ihn womöglich in dem Gewimmel des Einkaufscenters aus den Augen verloren. Er hielt zwei Blocks hinter Kellys Wagen am Fahrbahnrand an und stellte erneut den Motor ab. Dann warteten die beiden - O’Shea in seinem Wagen und Kelly, ahnungslos, in ihrem - darauf, daß Jeffrey Rhodes wieder auftauchte.
Der Verkäufer setzte Jeffrey die Ohrhörer auf. »Und jetzt schalten Sie das Gerät an - an dem kleinen Drehknopf dort«, sagte er. Jeffrey drehte an dem Knopf. Dann wies der Verkäufer Jeffrey an, das Gerät auf ein Paar am anderen Ende des Verkaufsraums zu richten. Jeffrey tat es.
»Würde das nicht toll auf unserem Wohnzimmertisch aussehen?« fragte der Mann die Frau. Sie standen gerade vor einer Glaskugel, die aussah, als gehöre sie zur Kulisse eines alten Frankenstein-Films. Sie enthielt eine Flüssigkeit, das Licht in Form von gleißenden blauen Miniaturblitzen aussandte.
»Schon«, antwortete die Frau, »aber guck mal auf den Preis. Dafür würde ich ein Paar Ferragamo-Schuhe kriegen.«
Jeffrey war beeindruckt. Er hatte zwar auch das dumpfe Gemurmel von anderen Stimmen mitbekommen, aber er hatte jedes Wort von der Unterhaltung der beiden klar und deutlich verstehen können.
»Kennen Sie die Hatch Shell auf der Esplanade?« fragte Jeffrey den Verkäufer.
»Sicher.«
»Was, glauben Sie, könnte man mit diesem Ding von der Erfrischungsbude aus hören?«
»Das Geräusch einer fallenden Stecknadel.«
Jeffrey kaufte das Gerät und trabte zurück zu Kellys Wagen. Sie stand noch an derselben Stelle, wo er ausgestiegen war.
»Hast du’s gekriegt?« fragte sie.
Jeffrey zeigte ihr das Päckchen. »Es kann losgehen«, sagte er. »Das Ding funktioniert tatsächlich. Ich hab’ mich selbst überzeugt.«
Kelly startete den Wagen und fuhr los in Richtung Esplanade.
Keiner von beiden blickte zurück. Und so bemerkte keiner von ihnen den schwarzen Buick Regal, der drei Autos weiter hinter ihnen fuhr.
Kelly nahm den Storrow Drive Richtung Beacon Hill. Kurz nachdem sie aus einer Unterführung rauskamen, erhaschte Jeffrey einen kurzen Blick auf die große Wiese vor der Hatch Memorial Shell auf der Esplanade. Die Sonne war bereits untergegangen, aber draußen war es noch immer hell, und Jeffrey konnte viele Menschen erkennen, die das schöne Frühlingswetter genossen. Sofort fühlte er sich ein bißchen wohler.
Sie bogen nach rechts in die Revere Street, dann wieder nach links in die Charles Street. Sie fuhren an den meisten der Geschäfte in der Charles Street vorbei, ehe sie schließlich wieder nach rechts in die Chestnut Street abbogen. Sie parkten kurz vor dem unteren Ende der Chestnut Street und stiegen aus.
Während der letzten paar Minuten der Fahrt hatte keiner von ihnen gesprochen. Die gespannte Erregung, die die Vorbereitungen und die Fahrt dorthin in ihnen aufgebaut hatten, war der Angst gewichen, ob auch alles so laufen würde, wie sie es geplant hatten. Jeffrey brach schließlich das Schweigen, indem er Kelly um die Autoschlüssel bat. Kelly warf sie ihm über das Wagendach zu. Sie hatte gerade die Türen abgeschlossen.
»Irgendwas vergessen?« fragte sie.
»Die Reifenstange«, sagte Jeffrey. Er ging zum Kofferraum und machte ihn auf. Er fand zwar keine Reifenstange, dafür aber ein Kombiwerkzeug, das als Schlüssel für die Radmuttern und gleichzeitig als Stange für den Wagenheber diente. Es war aus verchromtem Stahl und gut fünfzig Zentimeter lang. Jeffrey schlug sich
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