Narkosemord
mußte die Bilder unbedingt zurückkriegen. Er konnte einfach nicht glauben, daß der Kerl tatsächlich den Nerv gehabt hatte, seine Wohnung zu durchsuchen.
Trent erstarrte. Ihm war gerade ein schrecklicher Gedanke gekommen. Von plötzlicher Panik erfaßt, stürzte er in die Küche. Er riß die Tür von dem Schrank neben dem Kühlschrank auf und fegte mit einem hastigen Schwenk die Gläser heraus. Mehrere zerbrachen, als sie auf den Boden fielen.
Mit zitternden Händen zog er die falsche Rückwand heraus und spähte in sein Versteck. Erleichtert atmete er auf. Nichts schien angetastet. Alles war noch so, wie er es hinterlassen hatte.
Er langte hinein und holte seine heißgeliebte .45er heraus. Er wischte den Lauf an seinem Hemd ab. Die Waffe war gereinigt, geölt und einsatzbereit. Er langte noch einmal in das Versteck und holte das Magazin hervor. Nachdem er sich vergewissert hatte, daß es geladen war, schob er es in den Griff.
Trents größte Sorge war, daß Rhodes irgend jemandem erzählt hatte, was er erfahren hatte. Der Bursche war auf der Flucht. Es war also eher unwahrscheinlich, daß er jemanden eingeweiht hatte. Trent würde versuchen, es herauszufinden, um ganz sicher sein zu können. Aber so oder so mußte Rhodes von der Bildfläche verschwinden. Trent lachte. Rhodes hatte offenbar keine Ahnung, mit wem er es zu tun hatte.
Er griff erneut in sein Versteck und nahm eine 5-ml-Spritze heraus. Dann zog er eine winzige Menge von der gelben Flüssigkeit auf und verdünnte sie mit sterilem Wasser - genauso, wie er es bei Gail Shaffer gemacht hatte. Als er fertig war, legte er die Ampulle wieder zurück in den Schrank. Im Geiste sah er Jeffrey Rhodes vor sich, wie er auf der Bühne der Hatch Shell einen epileptischen Anfall bekam. Bei dem Gedanken mußte er lächeln. Das würde eine tolle Vorstellung geben.
Er hob die Sperrholzplatte auf und paßte sie sorgfältig wieder in den Schrank ein. Dann stellte er die Gläser hinein, die nicht kaputtgegangen waren. Die Scherben ließ er liegen, wo sie waren; er würde sie aufkehren, wenn er von der Esplanade zurückkam.
Trent schaute auf die Uhr. Er hatte bis zu dem Treffen noch immer anderthalb Stunden Zeit. Er ging ins Wohnzimmer zurück und blickte unschlüssig zum Telefon. Er überlegte, was er tun sollte. Rhodes’ Dazwischenfunken war genau die Art von potentieller Störung, vor der er gewarnt worden war. Er rang mit sich, ob er anrufen sollte oder nicht. Schließlich hob er den Hörer ab. Er rief an wie abgesprochen, sagte er sich, während er wählte - um Bescheid zu geben, nicht, um Hilfe zu erbitten.
14
Freitag, 19. Mai 1989, 20 Uhr 42
»Aha, es geht los«, sagte O’Shea leise zu sich selbst, als er sah, daß Kellys Garagentor hochschwang. Einen Moment später schoß Kellys Honda mit einem Affenzahn rückwärts auf die Straße und brauste mit durchdrehenden Reifen Richtung Boston davon.
O’Shea griff hastig nach dem Zündschlüssel. Er hatte nicht damit gerechnet, daß sie schon so bald wegfahren würde, und schon gar nicht in so einem Tempo. Als er sich endlich in Bewegung setzte, war Kellys Wagen schon fast außer Sicht. O’Shea mußte seinem Buick ordentlich die Sporen geben, um sie nicht aus den Augen zu verlieren. Nach kurzer Zeit hatte er zu ihr aufgeschlossen.
»Da schau her«, entfuhr es O’Shea, nachdem sie sich ein paar Meilen von Kellys Haus entfernt hatten. Ein zweiter Kopf war plötzlich auf dem Rücksitz aufgetaucht, und ein Kerl kletterte jetzt auf den Beifahrersitz neben Kelly.
O’Shea ermahnte sich, sich nicht allzufrüh über diese unerwartete, aber interessante Entwicklung zu freuen, aber er hätte sich seine Ermahnung sparen können: Als Kelly vor dem Vordereingang der Einkaufsgalerie am Copley Place anhielt, sprang Jeffrey Rhodes aus dem Wagen und rannte hinein.
»Das ist ja großartig!« jubelte O’Shea, an Kelly vorbeifahrend und kurz vor ihr am Bordstein anhaltend. Jetzt war seine Pechsträhne endlich vorüber. Rhodes war bereits auf halber Höhe der Rolltreppe, als O’Shea den Motor abstellte und über den Vordersitz zur Beifahrertür rutschte. Er wollte gerade aussteigen, als vor dem Seitenfenster eine dunkelblaue Uniformhose auftauchte, an deren schwarzem Ledergürtel eine .38er Smith and Wesson baumelte,
»Tut mir leid, aber hier ist Halteverbot«, sagte der Polizist.
O’Shea schaute den Streifenbeamten an. Er war vielleicht achtzehn. Ein Neuling, dachte O’Shea, aber wer sonst würde auch an
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