Narkosemord
nichts mehr zu verlieren. Weißt du, wozu einer in einer solchen Situation alles fähig ist?«
Jeffrey zog sie zu sich heran. »Jetzt überleg doch mal ganz nüchtern«, sagte er. »Seibert scheint nicht weiterzukommen. Mir bleibt gar nichts anderes übrig, als es zu versuchen. Es ist unsere einzige Hoffnung. Und mir läuft die Zeit weg.«
»Und wie bitte soll ich dabei lauschen? Selbst wenn du Glück hast und Harding gibt alles zu, dann stehst du immer noch ohne deinen kostbaren Beweis da.«
Jeffrey seufzte. »Daran hatte ich nicht gedacht.«
»Du hast an so manches nicht gedacht«, sagte Kelly und begann zu weinen. »Zum Beispiel daran, daß ich dich nicht verlieren möchte.«
»Du wirst mich aber verlieren, wenn wir nicht beweisen können, daß Harding unser Mann ist«, erwiderte Jeffrey. »Wir müssen irgendeinen Weg finden, wie du unser Gespräch mithören kannst. Vielleicht, wenn ich mit Harding einen Spaziergang machen würde…« Er verstummte. Er hatte wirklich keine Idee, wie sie das bewerkstelligen sollten.
Eine Weile saßen sie in trübsinnigem Schweigen da.
»Ich weiß was«, sagte Kelly plötzlich. »Es ist zumindest eine Idee.«
»Erzähl!«
»Jetzt lach nicht, aber es gibt da so ein Gerät, das ich neulich gesehen hab’, als ich den Sharper-Image-Katalog durchgeblättert habe. Das Ding nennt sich Lauschman oder so ähnlich. Es sieht aus wie ein Walkman und fängt Geräusche auf und verstärkt sie. Jäger und Vogelkundler benutzen dieses Ding. Theatergäste übrigens auch. Es könnte prima funktionieren, wenn du auf der Bühne der Hatch Shell stehst.«
»Das klingt ja phantastisch«, sagte Jeffrey, schlagartig begeistert. »Wo ist das nächste Geschäft?«
»Am Copley Place.«
»Großartig. Wir können es auf dem Weg kaufen.«
»Aber es gibt immer noch ein Problem.«
»Welches?«
»Deine Sicherheit!«
»Wer nicht wagt, der nicht gewinnt«, sagte Jeffrey mit einem schiefen Lächeln.
»Ich meine das ernst.«
»Okay, ich stecke mir irgendwas unter den Mantel, für den Fall, daß er aufsässig wird.«
»Und was? Eine Elefantenbüchse?«
»Kaum«, antwortete Jeffrey. »Hast du eine Reifenstange in deinem Wagen? Du weißt schon, so eine Art Stemmeisen, womit man den Reifen von der Felge hebelt.«
»Ich hab’ nicht die leiseste Ahnung.«
»Ganz bestimmt hast du eine«, sagte Jeffrey. »Die nehm’ ich mir mit. Dann hab’ ich jedenfalls was ›im Ärmel‹, so daß ich mich wehren kann, wenn er ausflippt. Aber ich glaub’ nicht, daß Harding in aller Öffentlichkeit irgendwas versuchen wird.«
»Und wenn doch?«
»Laß uns jetzt darüber nicht den Kopf zerbrechen. Ein gewisses Restrisiko bleibt immer. Wenn er tatsächlich was versuchen sollte, können wir das vielleicht irgendwie als Beweis verwerten. Aber komm jetzt, wir müssen los. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Wir müssen bis halb zehn an der Hatch Shell sein und vorher noch am Copley Place diesen Apparat kaufen.«
»So eine verdammte, verdammte Scheiße!« brüllte Trent Harding. Er winkelte den Arm an, ballte eine Faust und hieb sie wie einen Rammbock gegen die Wand über dem Telefon. Mit einem trockenen Splittern, das ihn überraschte, ging seine Faust glatt durch die Gipswand und den Putz. Erschrocken zog er seine Hand aus dem Loch und inspizierte seine Knöchel. Es war nicht mal ein Kratzer zu sehen.
Er wandte sich um und versetzte seinem Kaffeetisch einen Tritt - so heftig, daß ein Bein abbrach und der Rest des Tisches mitsamt Zeitungen, Handschellen und Büchern quer durch das Zimmer flog und gegen die Wand krachte.
Als er Ausschau hielt nach einem neuen geeigneten Objekt, an dem er seine Wut auslassen konnte, fiel sein Blick auf eine leere Bierflasche. Er hob sie auf und schleuderte sie mit aller Kraft gegen die Küchenwand, wo sie in tausend Stücke zerbarst, einen Regen von Splittern über den Fußboden versprühend. Erst da begann er allmählich, sich wieder unter Kontrolle zu kriegen.
Wie hatte das passieren können? fragte er sich kopfschüttelnd und schlug sich mehrere Male mit der flachen Hand vor die Stirn. Er war doch so sorgfältig zu Werke gegangen. Erst diese gottverdammte Schwester, und jetzt dieses blöde Arschloch von Doktor! Woher, zum Teufel, konnte er so viel wissen? Und jetzt hatte er auch noch die Fotos! Wenn er sie doch bloß nicht gemacht hätte! Er hatte sie einfach so gemacht, nur so aus Quatsch, um mal zu gucken, wie er aussah, wenn… Nicht, daß irgend jemand das verstehen würde. Er
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