Narkosemord
Zeit und für die Überlegungen, die sie dem Fall gewidmet hätten, und sie pries ihre Rolle in der Aufrechterhaltung einer zweihundertjährigen juristischen Tradition.
Jeffrey ließ sich schwer auf seinen Stuhl fallen; er fühlte sich taub und kalt. Randolph redete mit ihm und erinnerte ihn daran, daß der Richter im Kunstfehlerprozeß niemals hätte zulassen dürfen, daß sein Drogenproblem zur Debatte gestellt wurde.
»Außerdem«, fuhr er fort und schaute Jeffrey in die Augen, »beruht die gesamte Beweisführung auf Indizien. Es gab keinen einzigen handfesten Beweis dafür, daß Sie Morphium genommen hätten. Keinen!«
Aber Jeffrey hörte nicht zu. Die Auswirkungen dieses Urteils waren so überwältigend, daß er es noch gar nicht übersehen konnte. Tief im Herzen war ihm klar, daß er trotz all seiner Befürchtungen niemals geglaubt hatte, verurteilt zu werden - einfach deswegen, weil er nicht schuldig war. Er hatte nie zuvor mit der Justiz zu tun gehabt, und er hatte immer darauf vertraut, daß »die Wahrheit obsiegen« werde, sollte er jemals zu Unrecht beschuldigt werden. Aber dieses Vertrauen war falsch gewesen. Und jetzt mußte er ins Gefängnis.
Ins Gefängnis! Wie um dieses Schicksal zu unterstreichen, kam der Gerichtsdiener herüber und legte ihm Handschellen an. Jeffrey konnte nur ungläubig zuschauen. Er starrte auf die polierte Oberfläche der Handschellen. Es war, als hätten diese Handfesseln ihn in einen Verbrecher verwandelt, in einen Sträfling, mehr noch als der Spruch der Geschworenen.
Randolph murmelte ihm Ermutigungen zu. Die Richterin war immer noch dabei, die Jury zu entlassen. Jeffrey hörte nichts von alldem. Die Depression senkte sich wie eine bleierne Decke auf ihn herab. Im Wettstreit mit dieser Depression lag eine panische Angst vor einer aufkeimenden Klaustrophobie. Die Vorstellung, in einem kleinen Raum eingesperrt zu sein, rief furchterregende Bilder hervor: Er sah sich als Kind von seinem älteren Bruder unter der Bettdecke gefangen, voller Angst, zu ersticken.
»Euer Ehren«, sagte der Staatsanwalt, als die Geschworenen schließlich hinausgegangen waren, und erhob sich. »Das Commonwealth beantragt Strafaufschub.«
»Abgelehnt«, sagte die Richterin. »Das Gericht wird die Strafverhandlung nach einer Vorurteilsuntersuchung durch die Bewährungsabteilung abhalten. Wann gäbe es einen angemessenen Termin, Mr. Lewis?«
Der Schreiber blätterte im Terminkalender. »Der 7. Juli sieht gut aus.«
»Also am 7. Juli«, befand die Richterin.
»Das Commonwealth ersucht das Gericht mit allem Respekt, eine Kaution entweder abzulehnen oder sie erheblich zu erhöhen«, erklärte der Staatsanwalt. »Nach Ansicht des Commonwealth sollte die Kaution von fünfzigtausend Dollar auf ein Minimum von fünfhunderttausend Dollar erhöht werden.«
»Also schön«, sagte die Richterin. »Lassen Sie Ihre Begründung hören.«
Der Staatsanwalt kam hinter seinem Tisch hervor und trat vor die Richterin. »Die schwerwiegende Natur der Anklage im Verein mit dem Urteil verlangt eine Kaution, die der Schwere des Verbrechens, dessen der Angeklagte überführt wurde, besser entspricht. Überdies gibt es Gerüchte, denen zufolge Dr. Jeffrey Rhodes es vorziehen würde zu flüchten, statt die vom Gericht verhängte Strafe anzutreten.«
Die Richterin sah Randolph an. Der Anwalt stand auf. »Euer Ehren«, begann er. »Ich möchte das Gericht mit Nachdruck darauf hinweisen, daß mein Mandant bedeutende Bindungen an seine Gemeinde vorweisen kann. Er hat stets ein verantwortungsbewußtes Verhalten an den Tag gelegt. Er ist nicht vorbestraft, im Gegenteil, er ist ein vorbildliches Mitglied der Gesellschaft, produktiv und gesetzestreu. Es ist seine volle Absicht, zur Strafverhandlung zu erscheinen. Ich halte eine Kaution von fünfzigtausend Dollar für hoch genug; fünfhunderttausend wären wirklich übertrieben.«
»Hat Ihr Klient je die Absicht geäußert, sich einer Bestrafung zu entziehen?« fragte die Richterin und spähte über den Rand ihrer Brille hinweg.
Randolph warf Jeffrey einen Blick zu. Jeffrey schaute auf seine Hände. Randolph wandte sich wieder an die Richterin und erklärte: »Ich glaube nicht, daß mein Mandant so etwas sagen oder denken würde.«
Die Richterin blickte langsam zwischen Randolph und dem Staatsanwalt hin und her. Schließlich verkündete sie: »Die Kaution beträgt fünfhunderttausend Dollar, zu entrichten in bar.« Dann sah sie Jeffrey an und fügte hinzu: »Dr. Rhodes, als
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