Narkosemord
sicher nicht an die fünfundvierzigtausend zu erinnern«, sagte Mosconi. »Denken Sie bloß daran, daß ich meinen Arsch für Sie hinhalte.«
»Ich weiß das zu schätzen.« Jeffrey gab sich Mühe, dankbar zu klingen.
Zusammen verließen sie den Verwahrungsraum, aber draußen im Gang eilte Michael Mosconi in die andere Richtung davon.
Noch nie hatte Jeffrey so bewußt die frische, nach Meer duftende Luft genossen wie jetzt, als er aus dem Gerichtsgebäude auf den ziegelgepflasterten Platz hinaustrat. Es war ein heller Nachmittag mitten im Frühling. Flauschige, kleine weiße Wolken jagten über einen fernen blauen Himmel. Die Sonne war warm, aber die Luft war frisch. Es war erstaunlich, wie das drohende Gefängnis Jeffreys Wahrnehmung geschärft hatte.
Randolph verabschiedete sich auf dem weitläufigen Platz vor der grell modernen Boston City Hall. »Tut mir leid, daß es so hat ausgehen müssen. Ich habe mein Bestes getan.«
»Ich weiß«, sagte Jeffrey. »Ich weiß auch, daß ich ein lausiger Mandant war und es Ihnen extra schwergemacht habe.«
»In der Revision werden wir recht bekommen. Wir reden morgen früh darüber. Wiedersehen, Carol.«
Carol winkte, und dann schauten sie beide Randolph nach, als er in Richtung State Street davonging, wo er mit seinen Partnern eine ganze Etage in einem der neueren Bostoner Bürohochhäuser hatte. »Ich weiß nicht, ob ich ihn lieben oder hassen soll«, sagte Jeffrey. »Ich weiß nicht mal, ob er seine Arbeit gut gemacht hat oder nicht - zumal, da ich verurteilt worden bin.«
»Ich persönlich finde, er war nicht energisch genug«, meinte Carol und wandte sich dem Parkhaus zu.
»Mußt du nicht zur Arbeit?« rief Jeffrey ihr nach. Carol arbeitete bei einer Investmentbank im Finanzviertel. Das aber lag in der entgegengesetzten Richtung.
»Ich habe mir für heute frei genommen«, sagte sie über die Schulter und blieb stehen, als sie sah, daß Jeffrey ihr nicht nachkam. »Ich wußte nicht, wie lange es mit dem Urteil dauern würde. Komm, du kannst mich zu meinem Wagen fahren.«
Jeffrey holte sie ein, und zusammen gingen sie um die City Hall herum. »Wie willst du in vierundzwanzig Stunden fünfundvierzigtausend Dollar auftreiben?« fragte Carol und schüttelte den Kopf auf ihre charakteristische Art. Ihr feines, glattes aschblondes Haar war so geschnitten, daß es ihr ständig ins Gesicht wehte.
Jeffrey merkte, daß seine Gereiztheit wieder an die Oberfläche drang. Die Finanzen waren einer der Streitpunkte in ihrer Ehe gewesen. Carol gab gern Geld aus, Jeffrey sparte gern. Bei ihrer Heirat war Jeffreys Gehalt sehr viel höher als ihres gewesen; also hatte Carol Jeffreys Gehalt ausgegeben. Als ihr eigenes Einkommen gestiegen war, hatte sie damit ihr Investment-Portefeuille gefüllt, und sämtliche Ausgaben waren weiterhin mit Jeffreys Gehalt bestritten worden. Carols Argument war gewesen, daß sie ja, wenn sie nicht arbeiten ginge, auch zusammen von Jeffreys Gehalt leben würden.
Jeffrey beantwortete ihre Frage nicht sofort. Es war ihm klar, daß sein Zorn in diesem Fall in die falsche Richtung ging. Er war nicht wütend auf sie. All die alten Finanzstreitigkeiten waren Schnee von gestern, und die Frage, woher fünfundvierzigtausend Dollar in bar kommen sollten, war ganz berechtigt. Was ihn wütend machte, waren das Justizsystem und die Juristen, die es betrieben. Wie konnten Männer wie der Staatsanwalt oder der Anwalt des Klägers mit sich selbst leben, nachdem sie so viel gelogen hatten? Jeffrey wußte, daß sie ihre eigenen Anklagestrategien nicht glaubten. Beide Verfahren waren amoralische Prozesse gewesen, in denen die gegnerischen Anwälte ihre Mittel durch den Zweck hatten heiligen lassen.
Jeffrey setzte sich ans Steuer seines Autos. Er holte tief Luft, um seinen Ärger im Zaum zu halten, und sah dann Carol an. »Ich will die Hypothek auf dem Haus erhöhen. Wir sollten auf dem Heimweg bei der Bank vorbeifahren.«
»Nach der Verpfändungsvereinbarung, die wir gerade unterschrieben haben, glaube ich nicht, daß die Bank die Hypothek noch erhöht«, meinte Carol. Sie war so etwas wie eine Autorität in diesen Fragen; es war ihr Fachgebiet.
»Deshalb will ich ja sofort hin.« Jeffrey ließ den Motor an und fuhr aus dem Parkhaus. »Kein Mensch wird etwas merken. Es wird einen oder zwei Tage dauern, bis die Verpfändungsvereinbarung den Weg in ihre Computer gefunden hat.«
»Meinst du, du solltest das tun?«
»Hast du eine andere Idee, wie ich bis morgen
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