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Narkosemord

Titel: Narkosemord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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sich auf seinem Sitz nach vorn und brachte die rechte Hand in die Jackentasche. Seine Finger schlossen sich um die Injektionsspritze. Mit einem Fingernagel schob er die Schutzkappe von der Nadel. Behutsam zog er die Spritze aus der Tasche, und dann lehnte er sich wieder zurück.
    O’Shea riß die Fahrertür auf, warf die Reisetasche auf den Rücksitz, setzte sich ans Steuer und steckte den Zündschlüssel ins Schloß. Als er ihn umdrehte, um den Anlasser zu betätigen, stürzte Jeffrey sich auf ihn; dabei stemmte er sich mit beiden Füßen gegen die Beifahrertür. O’Shea war darauf nicht gefaßt. Bevor er Jeffrey zurückdrängen konnte, hatte dieser ihm die Injektionsnadel in die rechte Hüfte gestoßen und drückte jetzt den Kolben runter.
    »Scheiße!« schrie O’Shea. Mit dem Handrücken schlug er Jeffrey seitlich gegen den Kopf. Die Wucht des Schlags ließ Jeffrey gegen die Beifahrertür fliegen.
    O’Shea verdrehte den Arm, um den Ursprung des stechenden Schmerzes zu ertasten. Eine Fünf-Kubik-Spritze steckte bis zum Anschlag in seiner Hüfte. »Jesus«, brachte er zähneknirschend hervor. »Ihr geisteskranken Ärzte, ihr seid schlimmer als ein Serienkiller.« Vorsichtig und mit verzerrtem Gesicht zog er die Spitze heraus und warf sie auf den Rücksitz.
    Jeffrey hatte sich von dem Schlag soweit wieder erholt, daß er jetzt versuchte, seine Tür zu entriegeln, aber er bekam die gefesselten Hände nicht hoch genug. Er wollte den Türknopf schon mit den Zähnen hochziehen, als O’Shea ihn im Nacken packte und wie eine Stoffpuppe herumriß.
    »Was, zum Teufel, hast du mir da gespritzt?« fauchte er. Jeffrey bekam keine Luft mehr. »Antworte!« brüllte O’Shea und schüttelte Jeffrey noch einmal. Jeffrey konnte nur gurgeln. Die Augen traten ihm aus den Höhlen. Da ließ O’Shea ihn los und holte weit aus, um ihn zu schlagen. »Antworte!«
    »Passiert nichts…« Mehr brachte Jeffrey nicht heraus. Er versuchte, die Schulter zu heben, um den Schlag abzuhalten, aber der Schlag kam nicht.
    O’Sheas Arm blieb in der Luft hängen, sein Blick wurde unscharf, und er fing an zu schwanken. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich; an die Stelle der Wut trat Verwirrung. Er umfaßte das Lenkrad, um sich festzuhalten, aber sein Griff lockerte sich gleich. Er sackte zur Seite und fiel gegen Jeffrey.
    Er wollte etwas sagen, aber er brabbelte nur.
    »Es wird Ihnen nichts passieren«, erklärte Jeffrey. »Es war nur eine kleine Dosis Succinylcholin. In ein paar Minuten sind Sie wieder okay. Keine Panik.«
    Jeffrey drückte O’Shea hoch, und es gelang ihm, eine Hand in seine rechte Tasche zu schieben. Aber der Schlüssel für die Handschellen war nicht da. Jeffrey beugte sich nach vorn und ließ O’Shea seitwärts auf den Sitz kippen. Unbeholfen durchsuchte er seine anderen Taschen. Kein Schlüssel.
    Er wollte schon aufgeben, als er den kleinen Schlüssel an dem Ring vor dem Zündschloß baumeln sah. Mit einiger Mühe gelang es ihm, den Zündschlüssel herauszureißen; dazu mußte er aufstehen und vornübergekrümmt aus dem Beifahrerfenster schauen. Nach ein paar vergeblichen Versuchen brachte er den kleinen Schlüssel in das Schloß und öffnete die Handschellen.
    Er zerrte seine Reisetasche vom Rücksitz. Bevor er ausstieg, sah er noch einmal nach O’Shea. Der Mann war fast völlig gelähmt. Seine Atmung ging langsam, aber regelmäßig. Bei einer stärkeren Dosis wäre auch das Zwerchfell betroffen gewesen, und O’Shea wäre innerhalb von Minuten erstickt.
    Anästhesist mit Leib und Seele, bemühte Jeffrey sich nach Kräften, O’Shea in eine Lage zu bringen, die seinen Kreislauf nicht beeinträchtigte. Dann stieg er aus.
    Er ging ein paar Schritte auf das Hotel zu. Der Portier war nirgends zu sehen. Jeffrey blieb stehen. Einen Moment lang überlegte er, was er mit seinen Habseligkeiten machen sollte, aber dann kam er zu dem Schluß, daß es zu riskant wäre, die Sachen zu holen. Der Portier war womöglich in diesem Augenblick dabei, die Nummer der Polizei zu wählen. Außerdem, was hatte er zu verlieren? Es tat ihm leid, auf Chris Eversons Notizen zu verzichten, vor allem, wenn Kelly sie gern behalten wollte. Aber sie hatte gesagt, sie habe vorgehabt, Chris’ Sachen wegzuwerfen.
    Also machte er jetzt auf dem Absatz kehrt und lief stadteinwärts. Er wollte im Gedränge verschwinden. Wenn er sich erst sicherer fühlte, würde er Gelegenheit haben, nachzudenken. Und je weiter er sich von O’Shea entfernte, desto besser.

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