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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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auf den wir uns keinen Reim machen können …«
    »Einen Brief? Davon weiß ich gar nichts«, warf Paul ein. »Vielleicht wäre jetzt ein guter Zeitpunkt für einen Informationsaustausch?«
    »Aber ich möchte nichts davon morgen in den internationalen Schlagzeilen wiederfinden«, brummte Berner, dachte kurz nach und begann dann seinen Bericht mit dem Besuch des Zentralfriedhofs und der Identifizierung der Leiche von Irina Sharapova.
    Das Prindl wurde zu später Stunde immer voller und die Bedienungen kamen kaum noch nach, die Bestellungen aufzunehmen und an die Tische zu bringen. Die Nachtschwärmer, von den spätsommerlichen Temperaturen ins Freie gelockt, besetzten den Schanigarten bis auf den letzten Platz. An einigen Tischen ging es hoch her, das Lachen der Gäste schallte über die Straße in die sternenklare Nacht.
    Im Gegensatz dazu war es an Berners Stammtisch eine sehr nachdenkliche Runde, die noch ein letztes Mal Kaffee bestellte, bevor sie aufbrechen wollte.
    »Das ist alles andere als beruhigend«, meinte Paul leise, nachdem der Kommissar seinen Bericht beendet hatte. »Wenn wir von dem Mord an Professor Kirschner bis zu Irina Sharapova einen großen Bogen schlagen, dann weiß ich einfach nicht, was er alles umfasst und welche Ereignisse nichts damit zu tun haben. Ich sehe die Zusammenhänge nicht. Für die historischen Hintergründe hätte ich jetzt gerne Georg hier, vor allem was das vierte Dokument und den Brief aus der Gruft des Palais Metternich betrifft. Die beiden hängen unmittelbar zusammen, da bin ich mir ganz sicher.«
    »Nach meinem Gespräch mit Shapiro heute Abend, der paranoid wie immer hinter jedem Hauseck einen Spion und hinter jedem Unheil einen großen Plan vermutet, weiß ich gar nicht mehr, was ich glauben soll«, stellte Valerie fest. »Er ist der Meinung, das vierte Dokument sei von eminenter Bedeutung, und spricht von einer tiefen Krise, in die Österreich in den letzten Tagen gerutscht sei, eine Krise mit internationalen Auswirkungen. Für ihn ist dieses Stück Papier so etwas wie eine letzte Bastion, bevor der Damm bricht. Ich hab ihn noch nie so nervös erlebt.«
    »Und was sagt er zu den Politikermorden?«, erkundigte sich Berner und zündete sich eine weitere Zigarette an.
    »Er traut nichts und niemandem«, gab Valerie zurück, »nicht einmal der österreichischen Regierung.« Alle am Tisch schauten Goldmann erstaunt an.
    »Was meinst du damit?«, fragte Paul überrascht. In diesem Augenblick klingelte sein Handy und der Reporter nahm das Gespräch an. Fast gleichzeitig griff Eddy in seine Hosentasche, zog das S35 heraus und meldete sich mit einem kurzen »Bogner«.
    Beide hörten stumm zu und Berner wie auch Valerie hatten den seltsamen Eindruck, dass beide die gleiche Nachricht erhielten. Eddy und Paul wurden blass und saßen wie versteinert, nachdem sie schweigend zugehört und schließlich aufgelegt hatten.
    Wagner fing sich als Erster. Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und sah Berner müde an. »Das wird eine lange Nacht. Der Bundeskanzler ist erschossen worden.«
    Eddy nickte nur.

1.9.2009
    Burg Grub, Waldviertel/Österreich
    L autes Vogelgezwitscher war aus den Bäumen der Wälder rund um die Burg zu hören. Sina erwachte in seinem Lehnsessel, schaute überrascht auf die Uhr und streckte sich laut gähnend. Dabei fiel ihm auf, dass er den Brief Metternichs an den ominösen Balthasar immer noch in seiner Hand hielt. Er war einfach eingeschlafen, nach der Lektüre des Tagebuches zu erschöpft gewesen, um noch weiterzuarbeiten. Früher, erinnerte er sich, hatte er mehrere Nächte am Computer oder über Bücher gebeugt durchgemacht, aber er war eben keine zwanzig mehr.
    Sina stand auf und trat ans Fenster. Über dem Taffatal war bereits der Morgen heraufgedämmert. Während er seinen Blick über die Wipfel der Fichten und Eichen schweifen ließ, bemerkte er, wie aus dem Reutgraben der Nebel an seinen Mauern hochkroch. Konnte diese unerhörte Geschichte den Tatsachen entsprechen?
    Wenn dem so ist, sagte er sich, hängt all das mit den Ereignissen der letzten Tage womöglich direkt zusammen? Haben sich inzwischen ganz andere, bösartige Nebelgeister über dem Gallitzinberg erhoben und dringen bereits durch die Ritzen, Luken und Sprünge in die Grundfesten der Republik ein?
    Sina legte den Brief vorsichtig auf den kleinen Tisch neben dem Lehnstuhl. Tschak schlief nach wie vor zusammengerollt und leise schnarchend auf dem Sofa. Er schien sich seit dem gestrigen Abend

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