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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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Ähnliches, und er scheint zuverlässig zu sein. Sonst gäbe es nicht so viele tote Ratten.«
    Marzin schaute auf die Kiste, überlegte kurz und wog seine Chancen ab. »Komm hierher, Fritz«, sagte er dann ruhig und nahm das Seil in die Hand, dessen Ende noch immer um die Kiste geschlungen war.
    »Das hat mit Bergsteigen nichts mehr zu tun, eher mit russischem Roulette«, murmelte Wolle, als er endlich neben ihm stand und ebenfalls die Schräge hinaufblickte.
    Der große Mann neben ihm nickte und riss probeweise an dem Seil. »Und alle Kammern der Trommel sind gefüllt …«, sagte er düster. »Wahrscheinlich hab ich nur einen Versuch und der sollte besser gelingen.« Er nahm das Seil in beide Hände. »Zähl die letzten Sekunden vor der sicheren Phase herunter. Und, Fritz? Ich hoffe, deine Uhr geht genau.«
    »Sei beruhigt! Zwanzig Euro, Flohmarkt Fehrbelliner Platz. Wasserdicht bis zehn Zentimeter. Hat mich bisher nie im Stich gelassen.« Wolle fixierte den Sekundenzeiger und wartete. Dann hallte laut seine Stimme durch den Raum. »Fünf … vier … drei …« Marzin spannte die Muskeln an. »Zwei … eins … go!!!« Marzin stand bereits nicht mehr neben ihm, sondern war vorwärts gehechtet, hangelte sich am Seil hinauf, während er immer wieder mit den nassen Stiefelsohlen ausglitt und sich doch wieder stabilisierte. Er rutschte ab und zwang sich verzweifelt, das dünne Seil nicht loszulassen. Die Stimme Wollners klang unbewegt durch den Raum und zählte die möglicherweise letzten Sekunden seines Lebens herunter.
    »Drei …!« – Marzin lag auf der Schräge am Bauch und ließ das Seil los, griff nach der Kante der obersten Plattform und versuchte sich hochzuziehen.
    »Zwei …!« – Seine Finger rutschten ab und dann sah er im letzten Moment den Tragegriff, der seitlich an der Kiste angeschraubt war.
    »Eins …! – Seine Finger schlossen sich um den verrosteten Griff, er zog sich hinauf, betete, dass der Griff hielt, und bei »Null …!« – riss er seine Füße von der Schräge und sank atemlos auf die Kiste. Für einen Augenblick hatte er das Gefühl, die Plattform bewege sich. Ein deutliches »Klick« ertönte von tief unter der Pyramide und dann hörten beide Männer ein Geräusch, dass an einen Güterzug erinnerte, der polternd durch einen Tunnel rast. Bevor einer der beiden etwas sagen konnte, schoss mit ohrenbetäubendem Rauschen ein riesiger Wasserstrahl durch die Öffnung in halber Wandhöhe, traf mit voller Wucht die Türe, durch die Wolle und Marzin hereingekommen waren und schlug sie zu. Dann begann das schmutzig braune Wasser mit einer beängstigenden Geschwindigkeit den Raum zu füllen, und als sich Wolle vom ersten Schreck erholt hatte, schwammen bereits die ersten Rattenkadaver in der Brühe auf.
    Wien, Innere Stadt/Österreich
    D as Telefon holte Kommissar Berner aus dem Marianengraben des Schlafs. Er versuchte, das Läuten zu ignorieren, das Handy mit einem Schlag in einen anderen Raum zu befördern, wenn er es nur finden könnte, und schließlich zog er sein Kissen über den Kopf und hoffte, dass der Anrufer aufgeben würde. Als das alles nichts nützte, tastete er frenetisch mit geschlossenen Augen und Mordgedanken nach dem vibrierenden und laut schrillenden Übeltäter. Dann nahm er das Gespräch an.
    »Wer auch immer es ist, dafür soll Sie der Schlag treffen.« Berners raue Stimme klang, als sei es ihm ernst.
    »Bernhard, du wirst mir doch nicht sagen, dass du geschlafen hast? Pensionisten und alte Männer stehen früh auf …«
    »Ruzicka, ich sorge dafür, dass du deine Pension nie erlebst, das schwöre ich hiermit. Weißt du, wie spät es ist? Ich nämlich nicht.« Berner stöhnte und hielt das Handy dicht vor seine Augen, um die Uhrzeit zu erkennen. Die Zahlen verschwammen vor seinen Augen und er gab es auf.
    »Bernhard? Hörst du mich? Es ist nach vier und ich bin seit Stunden auf den Beinen.«
    »Wie schön für dich«, murmelte Berner verschlafen, »früher Vogel bekommt den Wurm ins Gesicht oder so ähnlich …« Er erwog, Ruzicka einfach reden zu lassen und weiterzuschlafen. »Ich habe gerade das erste Mal tief geschlafen, da verlierst du den Verstand und rufst mich an. Das ist ein Scheidungsgrund, Gerald, sag das deiner Frau.«
    »Die hört mir seit Jahren nicht mehr zu«, erwiderte Ruzicka trocken.
    »Recht hat sie, sehr gescheit – und ich hiermit auch nicht mehr. Gute Nacht!« Berner schwor sich, die Augen nicht aufzumachen und Ruzicka nie wieder ins Nachtcafé

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