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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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weiterschlafen, wenn Sie wollen. Ich würde es Ihnen sogar ausdrücklich nahelegen, Herr Berner.« Der Anrufer lachte, während sich Berner das Gehirn zermarterte, ob und wo er die Stimme bereits gehört hatte.
    »Verschwinden Sie einfach aus meiner Leitung und geben Sie mir keine Ratschläge. Oder sagen Sie schnell, was Sie zu sagen haben, und dann Adieu. Für Typen wie Sie ist mir sogar der Schlaf in meiner Pension zu schade«, knurrte Berner, fischte eine Zigarette aus einer Packung am Nachttischchen und zündete sie an.
    »Rauchen so früh am Morgen? Äußerst ungesund«, stellte der Unbekannte wie ein dozierender Hausarzt fest. »Der Aschenbecher steht übrigens auf der anderen Seite des Bettes, auf dem Bücherstapel, falls Sie ihn suchen sollten.«
    Berner schnellte herum, aber die Vorhänge waren zugezogen. Der Unbekannte konnte ihn nicht sehen. Woher wusste er dann …?
    »Es klingt abgedroschen, aber wir wissen alles über Sie, Herr Berner, einfach alles.« Er schien sogar seine Gedanken zu lesen. Berner bekam eine Gänsehaut und presste das Handy fester ans Ohr, um kein Wort des Unbekannten zu verpassen. Die Stimme und der Tonfall erinnerten ihn zunehmend an jemanden, aber er konnte beides nicht einordnen.
    »Wir möchten, dass Sie sich nicht um gewisse Vorkommnisse kümmern, die sich in der letzten Nacht ereignet haben und sich vielleicht in den nächsten Tagen noch ereignen werden. Haben Sie keine Urlaubsreise angedacht? Vielleicht ein zweites Mal Apulien? Wie ich gehört habe, hat es Ihnen dort doch so gut gefallen.« Der Unbekannte machte eine Pause und Berner tat ihm nicht den Gefallen, etwas zu sagen. »Sie haben einmal Glück gehabt, letztes Jahr, in Panenske-Brezany. Eine zweite Chance gibt es vielleicht nicht, Herr Berner.« Die Stimme klang noch immer verbindlich, aber Berner wusste, dass das nur Fassade war. »Mit anderen Worten: Dinge sind in Bewegung gesetzt worden, die niemand mehr aufhalten kann. Sie nicht, Ihre Freunde nicht, und selbst Wagner und Sina …« Der Anrufer lachte leise. »Egal. Wir sind sehr besorgt um Ihre Gesundheit, Herr Berner, und das sollten Sie auch sein. Ich an Ihrer Stelle würde den Milchkarton in Ihrem Kühlschrank wegwerfen. Sein Ablaufdatum ist längst überschritten …« Der Unbekannte kicherte.
    »Ich habe gar keinen Milchkarton in meinem Kühlschrank, ich trinke keine Milch und meinen Kaffee meist nur schwarz oder mit Obers«, erwiderte Berner ungehalten, dem die Unterhaltung allmählich zu bizarr wurde.
    »Ach, schauen Sie einfach nach.« Mit diesen Worten beendete der Anrufer das Gespräch und Berner ließ das Handy sinken.
    »Was für ein Irrer«, murmelte er vor sich hin und schüttelte den Kopf. Dann erst bemerkte er die fast völlig abgebrannte Zigarette zwischen seinen Fingern und er suchte den Aschenbecher, bis er ihn auf dem Bücherstapel fand. Genau da, wo der Unbekannte beschrieben hatte.
    Berner runzelte die Stirn und kämpfte kurz mit sich, dann machte er sich doch auf in die Küche. Die Reste des Abendessens standen noch genau da, wo er sie zu später Stunde stehen gelassen hatte, inklusive Rotweinglas und der leeren Flasche Bardolino. Seit seine Frau nach Deutschland in ein neues Leben gezogen war und die Scheidung eingereicht hatte, nahm es Berner mit dem Aufräumen in der Küche nicht mehr so genau.
    Der Kommissar legte die Hand auf den Griff des großen Kühlschranks, überlegte kurz und zog dann energisch die Tür auf. Der Milchkarton in der Mitte des dritten Faches schien ihn höhnisch anzugrinsen: Eine Werbung für Calcium und andere gesundheitsfördernde Stoffe in der Milch hatte auf die Strichzeichnung eines lachenden Mundes mit Zahnlücken zurückgegriffen. Für Berner sah sie aus wie ein Teil eines Totenschädels.
    Unter den Linden, Berlin-Mitte/Deutschland
    D as Wasser stieg erschreckend schnell. Spätestens, wenn es die Plattform erreicht haben würde, wäre ein gigantischer Kurzschluss nur mehr eine Frage von Sekunden. Für Fritz Wollner, der mit seinen Stiefeln bereits bis über die Sohle im Wasser stand, wäre es der sichere Tod.
    Marzin streckte die Hand aus. »Los, rauf mit dir! Es bleibt dir höchstens noch eine Minute, dann glühst du auf«, schrie er über das Rauschen hinweg.
    Wolle blickte sich um und schaute dann auf seine Uhr. »Wir müssen dreißig Sekunden warten, die sichere Phase hat gerade begonnen«, rief er, nahm das Seil in seine rechte Hand und versuchte, die aufgedunsenen Rattenkadaver zu ignorieren. Fünf

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