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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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zweiten Tunnel, der sich links in der Dunkelheit verlor.
    »Werfen wir eine Münze oder gibt es eine logische Lösung für das Dilemma?«, fragte Helmut niemanden im Besonderen und ließ den Strahl seines Handscheinwerfers zwischen den beiden Tunnels hin und her huschen.
    »Mein eingebauter Kompass sagt mir, dass wir rechts weitergehen müssen«, meinte Sina. »Außerdem steigt die Strecke dort stetig weiter an und das sollte sie besser auch. Vergesst nicht, das Arsenal liegt auf einer Erhebung.«
    »Und noch etwas anderes spricht für den rechten Tunnel«, meinte Paul und leuchtete zur Decke. »Er ist elektrifiziert.«
    Vierzig Minuten Fußmarsch später waren sich beide Freunde nicht mehr so sicher. Sie waren an keiner Abzweigung mehr vorübergekommen, die Strecke ging zwar weiterhin leicht bergan und jeder Blick auf die Uhr ließ sie ihre Schritte beschleunigen, trotzdem war kein Ende des Tunnels in Sicht.
    »Der Stadtbahnbau hatte in Wien zu Beginn eine vorwiegend militärische Bedeutung«, erinnerte Georg Kommissar Berner, »man wollte Truppen so rasch wie möglich von einem großen Fernbahnhof zum anderen bringen.«
    »Oder aus dem Arsenal in die Stadt«, ergänzte Berner, »nachdem die beiden anderen Kasernen sowieso im Zentrum lagen. Das spricht für diesen elektrifizierten Tunnel. Mit Dampf hätte man hier nicht fahren können.«
    Doch Paul dauerte der Marsch allmählich zu lange und er fluchte still vor sich hin. »Wir hätten den linken Tunnel nehmen sollen«, murmelte er resignierend, »wir sind bestimmt in die falsche Richtung unterwegs.«
    Eddy, der sich bemühte, mit dem Reporter Schritt zu halten, lief der Schweiß in Strömen über das Gesicht, während Valerie tief in Gedanken versunken hinter den beiden hertrottete.
    Wenige Minuten später, am Ausgang einer lang gezogenen Kurve, wurde der Anstieg spürbar flacher und dann kam das, was Wagner von Anfang an befürchtet hatte – eine Mauer, die sich quer über den gesamten Tunnel erstreckte und in der die Schienen endeten. Es war 03:40 Uhr.
    »Sackgasse«, brummte Berner frustriert.
    Das Team ließ wie auf Kommando die großen Rucksäcke von den Schultern rutschen und alle Augen ruhten auf Johann, der bereits mit dem Handgriff eines schweren Schraubenziehers die rohen Ziegel der neu errichteten Mauer abklopfte. Der schmächtige Mann legte sein Ohr an die Steine und lauschte. Niemand wagte zu atmen. Dann klopfte er wieder und lauschte erneut. Schließlich trat er zurück, betrachtete die Wand abschätzend und holte aus Manfreds Rucksack zwei bleistiftgroße Rollen heraus, die wie Kreidestücke aussahen.
    »Frank, ich brauche zwei Löcher – hier und hier«, meinte er leise und deutete auf die jeweiligen Stellen in Augenhöhe. »Die anderen gehen zurück bis hinter die Kurve. Wenn ihr die Mauer nicht mehr seht, dann stimmt der Abstand.«
    Der elektrische Bohrer fraß sich rasch mit einem sirrenden Geräusch in den Mörtel der Fugen und Johann befestigte zwei normale Zündschnüre an den beiden Sprengladungen, bevor er die schmalen, weißen Rollen bis zum Anschlag zwischen die Steine schob. Dann bemerkte er Franks fragenden Blick.
    »Hochtechnologie ist ja nett und schön, aber manchmal tut es ganz einfacher Funkenflug auch«, bemerkte er trocken, entzündete die Schnüre mit seinem Zippo und beide Männer liefen in Deckung.
    Wenige Augenblicke später gab es zwei Stichflammen und der Lärm der Explosionen, erstaunlich leise, schallte durch den Tunnel, gefolgt vom Geräusch herabprasselnder Steine.
    »Sackgasse wieder für den Verkehr geöffnet«, brummte Berner bewundernd und klopfte Johann anerkennend auf die Schulter, als er das große Loch sah, das die Sprengung direkt über den Gleisen in die Wand gerissen hatte, ohne die Schienen zu beschädigen.
    Die wenigen Ziegel auf den Gleisen waren schnell beiseitegeräumt und dann erleuchteten die ersten Handscheinwerfer geisterhaft einen kleinen, unterirdischen Bahnhof mit vier Geleisen. Paul stellten sich die Nackenhaare auf, als er eine alte Stadtbahngarnitur sah, mit blinden Scheiben und verstaubt, manche der Wagen halb verrottet. Der Reporter erwartete jeden Moment Skelette auf den Sitzen zu entdecken, die ihn höhnisch angrinsten. Er sah auf seine Armbanduhr. Sie hatten noch acht Minuten.
    Der einzelne rot-weiße Waggon, der abseits auf einem der Verschubgleise stand und irgendwie verloren wirkte, war dagegen in einem wesentlich besseren Zustand. Seine kantigen Formen verrieten ein Baujahr um 1920,

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