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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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sollte ich die Spurensicherung alarmieren? Wer sind Sie überhaupt?«
    »Jetzt haben die Jungs nur mehr vierzehn Minuten und dreißig Sekunden«, stellte Wagner lakonisch nach einem Blick auf seine Armbanduhr fest und setzte sich auf den Schreibtisch. Er und Berner zogen gleichzeitig ihre Ausweise aus der Tasche und hielten sie dem Beamten vor die Nase.
    »Kommissar Ruzicka liegt im Koma nach einem Unfall, der eher nach einem Mordversuch aussieht.« Die Stimme Berners klang beherrscht. »Seine Frau wurde bei dem Unfall getötet und ich glaube, dass wir mehr herausfinden können als die Kollegen von der Verkehrspolizei. Ich habe gerade mit den Tullnern gesprochen. Es gibt keine Zeugen, keine Spuren außer den üblichen Glassplittern, nicht einmal Farbreste vom Unfallgegner am Wrack. Ich will die besten Leute der Spurensicherung, und ich will sie jetzt.«
    Der Beamte war wie vor den Kopf gestoßen. »Ruzicka … Um Gottes willen.« Dann griff er hastig zum Telefon und begann zu wählen.
    Suarezstraße – Kaiserdamm, Berlin/Deutschland
    S ie haben dieses Dokument mit ihrem Leben geschützt und es nicht einmal gelesen?« Peter Marzin konnte es nicht glauben. »Während all der Jahre?«
    »Sie wussten nur, dass es in Sicherheit gebracht werden musste, und das genügte ihnen. Befehl war Befehl«, sagte Daniel Singer und drehte die kleine, versiegelte Papierrolle in seinen Fingern. Es musste eine einzelne Seite sein. Das dicke Pergament, das an der Außenseite einige braune Flecken hatte, schien in der Hand Singers immer schwerer zu werden. Das Siegel der Zaren glänzte majestätisch.
    Der Antiquar zögerte. »Du weißt, Peter, dass es Dinge gibt, an die man besser nicht rührt. Ich habe mein ganzes Leben lang gesammelt und bin auf vieles gestoßen, das nicht für die Augen der Öffentlichkeit bestimmt war. Privates, Skandalöses, politisch Gefährliches, Unglaubliches und Abstoßendes, Wertvolles und Beunruhigendes. Ich habe das Tagebuch des KZ-Arztes Mengele hier, das für Albträume in ungeahnten Dimensionen sorgen kann. Geheimabkommen zwischen Kirche und Staat, Abrechnungen über Menschenverkäufe, die Berichte der Inquisition oder die Kassenbücher der Fugger erzählen oft mehr als alle Geschichtsbücher zusammen. In meinen Regalen stehen ausgesuchte, wichtige und oft geheime Dokumente, nicht einfach nur ein Haufen Papier. Viele nationale Archive würden liebend gern einige Meistereinbrecher mit meiner Adresse versorgen.« Singer schmunzelte, dann wurde er wieder ernst. »Die Sicherheitsvorkehrungen rund um dieses Dokument waren außergewöhnlich. Also ist dieses Pergament etwas ebenso Außergewöhnliches und musste dem Zarenhaus so wichtig erschienen sein, dass es seinen sicheren Transport ins Ausland organisierte. In der Hand einer Truppe, die für dieses Stück Papier gestorben wäre und es auch ist.« Er schaute Marzin in die Augen. »Das ist keine Abrechnung der Spesen des Zarenhofes oder ein Ernennungsdekret, das muss dir klar sein. Wie hat es der unbekannte Verfasser des Begleitbriefes so treffend beschrieben? ›Ihr, die ihr dieses Dokument gefunden habt, werdet wissen, was damit zu tun ist.‹ Weißt du das?«
    »Deshalb bin ich zu dir gekommen«, gab Marzin zurück, »weil ich niemanden Besseren kenne, zu dem ich mehr Vertrauen haben und der mehr über alte Schriftstücke wissen könnte als du. Nach all dem, was wir heute Nacht erlebt haben, möchte ich gerne wissen, wofür das alles.«
    Singer nickte und warf einen letzten Blick auf das unversehrte Siegel der Romanows. Dann brach er es und das Geräusch klang wie ein entfernter Pistolenschuss aus einer längst verlorenen Schlacht. Bevor er das Pergament entrollte, holte er vier alte Gewichte aus einer Schublade seines Schreibtisches. Dann begann er langsam und vorsichtig, das Blatt auf der Tischplatte auszubreiten. Er hielt die Ecken mit den Gewichten nieder, bevor sich beide Männer neugierig über das Pergament beugten. Es hatte die Größe eines quer gelegten DIN-A3-Blattes und enthielt nur wenige Zeilen. Sie waren in der Mitte des Schriftstückes angeordnet und mit einer dunkelgrünen Tinte geschrieben.

    Darunter, im rechten unteren Eck, stand ganz klein eine Kombination von Zahlen und Buchstaben:
    48 . . N . . . E
    Als Marzin enttäuscht den Kopf sinken ließ, blickte Singer noch immer nachdenklich auf die Zeilen und holte schließlich eine starke Lupe aus der Schreibtischschublade. Keiner der beiden Männer sprach ein Wort, während der Sammler das

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