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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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sie ihn verstehen? Bestimmt würde sie das.
    Um sich abzulenken, sammelte Sina den Inhalt des Abfalleimers auf und stellte das verbeulte Stück wieder an seinen Platz. Da bemerkte er mit einem Mal die venezianische Maske, die auf der einzig freien Fläche seines Schreibtisches lag. Verstört blickte sich Georg nach allen Seiten um. Ohne Zweifel, die war vorher noch nicht da gewesen. Lamberg? Nein. Irina? Warum sollte sie?
    Georg setzte sich in seinen Stuhl, nahm die Maske in beide Hände und betrachtete sie aufmerksam. »Ein Volto nero«, sagte er leise zu sich selbst. Das schwarze Gesicht sah Sina aus leeren Augenlöchern an. Vorsichtig drehte er sie ein wenig, wog sie in seiner Hand. Das Pappmaschee war federleicht. Es ist nur eine gewöhnliche Maske, beruhigte er sich. Aber – lag es an der dunklen Farbe oder an den Umständen, wie sie zu ihm gekommen war? Diese Larve beunruhigte ihn zutiefst. Ihre ebenmäßigen, ernsten Züge verströmten eine Aura, die bedrohlich und faszinierend zugleich auf ihren Betrachter wirkte. Das männliche und doch fast androgyne Gesicht wirkte beinahe wie eine Totenmaske. Sina dachte an Ludwig van Beethoven und dessen weltberühmten Abdruck. »Na, meine Hübsche, bist du etwa meine Totenmaske?«, flüsterte Sina verwirrt. Seltsame Schwingungen schienen von dem schwarzen, unbeweglichen Gesicht auszugehen.
    Langsam drehte Georg die Maske um. An die weiße Innenseite war ein Zettel geklebt, ein zurechtgeschnittener Computerausdruck. Georg las die wenigen Zeilen:
    »Sehr geehrter Professor Sina, wir erlauben uns, Sie aufs Höflichste einzuladen. Erweisen Sie uns bitte die Ehre, sich heute, den 30. August 2009, um 19:30 Uhr vor Schloss Schönbrunn einzufinden. Ein Wagen wird Sie dort abholen und zu unserer Soiree bringen. Abendkleidung und Maske sind erwünscht. Mit vorzüglichster Hochachtung!«
    Die Unterschrift fehlte.
    »Also jetzt reicht’s!«, knurrte Sina, ließ die Maske fallen und trommelte mit den Fingerspitzen auf die Tischplatte. Das ging entschieden zu weit. Machte sich irgendwer lustig über ihn? Ein Scherz von Studenten, die sich totlachen würden, wenn er in Maske und dunklem Anzug vor dem Schloss stehen würde? Das Foto würde ein Renner im Internet werden und er zur Witzfigur. »Moment!«, rief er aus und seine Miene erhellte sich schnell wieder. Nach all den Todesengeln, seltsamen Anrufen und sonstigen Verwirrungen hörte er wohl schon das Gras wachsen und vermutete hinter jeder harmlosen Geste den langen Arm einer Verschwörung. »Wir sehen uns bald wieder!«, hatte doch Irina beim Gehen zu ihm gesagt. Sie war die Einzige, die nach Lamberg mit ihm im Büro gewesen war.
    Also ist die Einladung von ihr, dachte Georg beglückt, sie plant einen romantischen Abend zu zweit. Er lächelte die Maske an. So musste es sein, endlich führte sein Lebensweg auf die sonnige Seite, in die genussvolle Richtung. Er würde sich für Irina so richtig in Schale werfen, beim Treffpunkt erscheinen und sogar diese alberne Maske tragen. Spaß muss sein! Irgendwo in einem der Schränke seines Büros hingen der dunkle Anzug, ein weißes Hemd und eine passende Krawatte für die nervigen Promotionsfeiern. Und sogar duschen konnte er am Institut.
    Landeskrankenhaus St. Pölten, Niederösterreich/Österreich
    N achdem Paul Wagner das Prindl verlassen hatte und bereits auf seiner Honda saß, kam Berner wild gestikulierend aus dem Café gelaufen und hielt ihn im letzten Moment auf.
    »Warten Sie, wir haben ein Problem«, stieß Berner hervor.
    Wagner verzog das Gesicht. »Eines? Ich wollte, es wäre so …«
    »Ein neues«, gab der Kommissar zu und schaute den Reporter durchdringend an, »von dem ich nichts in der morgigen Zeitung lesen will. Ruzicka hat einen schweren Autounfall gehabt und liegt auf der Intensivstation. Eine …«, Berner stockte kurz, »hm … Informantin hat mich gerade angerufen und gemeint, es sehe nicht gut aus. Ganz im Gegenteil.«
    Paul nahm den Helm wieder ab. Er hatte sich eigentlich vorgenommen, nähere Einzelheiten zu dem Lothringerkreuz in Nussdorf in Erfahrung zu bringen, aber das konnte warten. »Das tut mir leid«, antwortete er, »ich nehme an, Sie wollen ihn so schnell wie möglich sehen?«
    Berner nickte.
    »Ja. Gerald ist mein ältester Freund und …« Der Kommissar verstummte.
    »Ja, und?«
    Berner blieb stumm
    »Da ist noch etwas, das Sie mir nicht gesagt haben, oder irre ich mich?« Berner legte den Kopf in den Nacken und Wagner sah zwei Tränen über seine

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