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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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den Park zu besichtigen, oder waren bereits am Ende ihrer Tour und genossen noch den warmen Abend, bevor sie wieder in ihr Hotel zurückkehrten.
    Der Wissenschaftler schaute die beiden hohen Obelisken am Tor zu Schloss Schönbrunn entlang in den Himmel. Die ausgebreiteten Schwingen der beiden goldenen Adler an ihren Spitzen glänzten in den letzten Strahlen der Sonne vor einem tiefblauen Azur.
    Die schweren Kronleuchter im Spiegelsaal des imperialen Palastes erloschen, die hohen Fenster in der barocken, kaisergelben Fassade wurden dunkel. Der Tag wie auch der Sommer strebten langsam ihrem Ende zu. Die Dämmerung setzte ein, ein frischer Wind kam aus dem Wienerwald und die Wolken glühten feuerrot im Westen.
    Sina registrierte erfreut die kühlende Brise und fächelte sich mit aufgeknöpftem Sakko etwas Frischluft unter die Achseln. Nass geschwitzte Hemdsärmel unter dem Anzug waren ihm zuwider.
    Unter den Hecken und Bäumen, irgendwo am Rand der Springbrunnen, Kaskaden und Wasserbecken sitzend wäre es jetzt bestimmt angenehmer als hier mitten auf dem Präsentierteller, sinnierte der Wissenschaftler. Er schloss die Augen und träumte sich zusammen mit einer nackten Irina Sharapova ins kalte Nass des Neptunbrunnens. Das wäre zur Abwechselung einmal ein handfester Skandal, der Paul eifersüchtig machen würde, lächelte er. Aber diese Phantasie trug weniger zu seiner Abkühlung bei, als er gehofft hatte.
    Die Glocken der Hietzinger Pfarrkirche läuteten den Abend ein und das Wolfsrudel im benachbarten Tiergarten begann zu heulen.
    Georg blickte zum Himmel, wo ein Flugzeug einen rosa Strich über das Blau und durch die rötlichen Wolken zog. Ein erster Herbsthimmel, rot wie der Weltenbrand, sinnierte er, die ominöse schwarze Maske in der Hand. Der Tyrann ist verbannt, der Schlussstrich gezogen. Nur seine Adler sind geblieben … Napoleons Adler … vor der Sommerresidenz des österreichischen Kaisers. Sina musste schmunzeln. Bestimmt hatte ein Hofrat oder vielleicht sogar der Kaiser selbst gemeint, die zwei seien eigentlich »eh ganz hübsch«, und man hatte sie an ihrem Platz gelassen, um vor aller Augen gemeinsam ihre Bedeutung zu vergessen.
    Als Georg die Maske endlich aufsetzte, fiel er zwischen den Nebenerwerbs-Mozarts und Zuverdienst-Hofdamen, die geschäftig in ihrer roten Livree oder den Reifröcken umherliefen, überhaupt nicht auf. Der schwarz maskierte Mann in elegantem Anzug, Krawatte und Sportschuhen war in den Augen der Touristen ein weiterer wandelnder Versuch, die Attraktionen Wiens in Form von überteuerten Eintrittsoder Konzertkarten an den meist fremden Mann und die weit gereiste Frau zu bringen. Sein Jackett flatterte im Wind wie ein aufgeschreckter Pinguin beim Versuch, von der Eisscholle abzuheben.
    Die letzten Touristen musterten ihn misstrauisch, Joggerinnen liefen kichernd mit federnden Schritten an ihm vorbei. Nur eine japanische Besuchergruppe, auf dem Weg zum wartenden Bus, hielt kurz inne. Obwohl der Guide mit seinem bunten Schirm wild durch die Luft fuchtelte und schimpfend die riesige Stoppuhr in seiner Hand konsultierte, standen plötzlich zwei kleine Frauen mit topfähnlichem Stoffhut und Mundschutz links und rechts neben Sina, legten den Arm um ihn, und dann blitzen auch schon die Kameras die unwirkliche Szene auf. Nach einer tiefen Verbeugung verschwanden die Fotografen und ihre Partnerinnen so schnell, wie sie erschienen waren, einen erleichterten Guide im Schlepptau, der hektisch auf sie einredete.
    Georg kratzte sich verlegen am Hinterkopf, verfluchte seinen Aufzug und warf wieder einen Blick auf die Uhr: 19:30 Uhr.
    »Hoffentlich erlöst mich Irina bald von dieser peinlichen Warterei!«, flehte er halblaut.
    Da hörte Sina hinter sich Autoreifen über den Kiesweg rollen und fuhr herum. Majestätisch und beinahe lautlos glitt ein Rolls-Royce Silver Cloud durch das Tor und blieb direkt vor ihm stehen. Die Limousine aus den Fünfzigerjahren war in Silber metallisée mit flaschengrünen Seitenpartien ausgeführt. Das Chrom der großen Scheinwerfer war fleckenlos und Sina zog erstaunt die Brauen hoch.
    »So wie der Wagen aussieht, wurde er nicht nur komplett restauriert, sondern auch in mehreren Schichten handlackiert, wie es sich für einen Rolls gehört«, murmelte er bewundernd und ging langsam auf das Auto zu. Er hegte nicht den geringsten Zweifel, dass der Silver Cloud gekommen war, um ihn abzuholen. Zeit und Ort konnten kein Zufall sein.
    Der Wagenschlag wurde geöffnet und eine

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