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Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)

Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)

Titel: Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Steinhauer
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zeugen. Davon würden sie zehren in den nächsten Wochen, Monaten, Jahren.
     
    Als er die Augen wieder öffnete, entdeckte er die blonden Locken und die lagunenblaue Kleidung von Paul in der Menge.
    Paul war kein ›Rosenstolz‹-Fan.
    Es konnte nur einen Grund geben, aus dem Paul hier war – er suchte nach ihm!
    Paul, dieser Träumer! Während Paul versucht hatte, die Welt zu verbessern, war ihm nicht einmal aufgefallen, wie die Familie endgültig auseinanderbrach. Die Mind Watchers waren ihm immer wichtiger gewesen, als die Nöte seines Bruders. Tränen liefen über Markus’ Gesicht.
    Paul war auch mitverantwortlich für diese verfahrene Angelegenheit – wenn er nicht einfach von zu Hause geflohen wäre, hätte sein Vater sich nicht so auf ihn konzentrieren können – seine Beziehung zu Florian wäre unentdeckt geblieben, wenigstens bis nach dem Fernsehauftritt! Florians Karriere, sein kometenhafter Aufstieg wären nicht mehr aufzuhalten gewesen – aber nun lag Florian im Koma und es war einfach nicht fair, dass Paul völlig ungeschoren wegkommen würde!
    Seine Blicke trafen sich mit denen seines Bruders.
    Trotz der Dunkelheit glaubte er sehen zu können, wie sich Pauls Augen vor Schreck weiteten.
     
    Er war entdeckt.
    Langsam löste Paul sich aus der Zuschauermenge und schlenderte beiläufig zur Förderbrücke hinüber, tat, als sei er an diesem technischen Denkmal besonders interessiert. Niemand schenkte ihm Beachtung. Auch nicht, als er langsam und ruhig die Treppe heraufkam. Markus registrierte grinsend, wie sein Bruder das Geländer umkrallte. Höhenangst konnte den Betroffenen ganz schön zu schaffen machen, dachte er hämisch.
    Stück für Stück schob sich Paul voran. Er erreichte den abgesperrten Besucherweg und zögerte.
    Markus erkannte Hauptkommissar Nachtigall, der vom Parkplatz aus auf das Gelände gerannt kam. Gut, dann würde es eben noch ein paar Zeugen mehr für seinen Abgang geben!
    Langsam erhob er sich und ging einige Schritte weiter zum Ende des Auslegers.
    Ein Schrei war zu hören und eine Frau zeigte aufgeregt in den Himmel.
    Es war plötzlich still geworden.
    Aus 80 Metern Höhe machten Menschen, die heftig gestikulierend hin und her liefen, einen albernen und orientierungslosen Eindruck – vollkommen anders als die disziplinierten Ameisen, die in der größten Krise immer noch daran dachten, geordnet und mit Königin und Brut die Flucht anzutreten.
    Scheinwerfer, die zuvor die Bühne ausgeleuchtet hatten, wurden in Position gebracht und blendeten ihn mit ihrem grellen Licht. Er schützte die Augen mit den Händen, hörte Nachtigall den Technikern etwas zurufen, dann leuchtete der Lichtstrahl auf einen Punkt neben ihm.
    Streifenwagen und ein Rettungswagen näherten sich mit Blaulicht und Sondersignal.
    Wozu die einen Rettungswagen zu brauchen glaubten, Markus schüttelte verständnislos den Kopf, für ihn würde man nur noch einen Leichenwagen benötigen, dafür würde er schon sorgen.
    Die Stimme Nachtigalls klang befehlend.
    »Kommen Sie sofort da runter! Was ist gewonnen, wenn Sie abstürzen?«
    Ein Scheinwerferkegel folgte den Zeitlupenbewegungen des Mannes, der aber keinerlei Anstalten machte, seine Klettertour abzubrechen.
    »Markus! Kommen Sie wieder runter! Wir können über alles reden.«
    »Nein! Genug geredet!«
    Einige Beamte waren damit beschäftigt, die Zuschauer zum Ausgang zu geleiten, doch der Strom setzte sich nur zögernd Richtung Besucherzentrum in Bewegung. Immer wieder geriet er ins Stocken, die Menschen drängten sich zusammen wie Schafe einer Herde, um die ein Raubtier schleicht, und zeigten auf die Männer im Gestänge der Förderbrücke.
    Paul schob sich kontinuierlich näher an seinen Bruder heran.
    Ein Blick in die Tiefe zeigte Markus, dass Peter Nachtigall verschwunden war – das Megafon hatte ein Kollege übernommen.
    Markus erkannte, wie Nachtigall ohne zu zögern die Absperrung überwand und rasch zu Paul aufschloss.
    »Markus!«, rief Paul, »ich weiß, was du getan hast!«
    »Ach ja?«
    »Du hast Vater ermordet!«
    »Was für eine Erkenntnis!«, höhnte der Bruder.
    »Aber das wirklich Widerliche ist, wie du versucht hast, mich für deine Zwecke zu benutzen! Du hast geglaubt, ich werde die Drecksarbeit für dich erledigen, nicht wahr?«
    Nachtigall hatte Paul erreicht und redete auf ihn ein, doch der Mind Watcher schien keinerlei Notiz von ihm zu nehmen. Er umklammerte das Gestänge und schrie seinem Bruder zu:
    »Du hast mir diese Briefe

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