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Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)

Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)

Titel: Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Steinhauer
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Natürlich nie allein – nur mit Führer. Er schlenderte gleichgültig hinüber.
    Der Stahlkoloss war 240 Meter breit und 502 Meter lang und damit um 198 Meter länger als der Eiffelturm. Und noch eine Ähnlichkeit zum Pariser Wahrzeichen war vorhanden – beide bestanden aus einem Metallgestänge, alles war verstrebt. Der lange Arm ragte in 80 Metern Höhe weit in die karge Landschaft. Drei Jahre hatte es gedauert, diese Förderbrücke für den Tagebau zu bauen, doch schon nach 13 Monaten kam das Aus. Markus strich über den rauen, kühlen Stahl – auch diese größte bewegliche technische Anlage der Welt war nie dazu gekommen, sich zu verwirklichen und zu zeigen, was in ihr steckte. Sie waren seelenverwandt, Schicksalsgenossen.
    Heute kamen Touristen hierher und bestaunten die 11.000 Tonnen schwere Förderbrücke. Kaum vorstellbar, dass sie auch noch fahren konnte, dachte Markus, stolze 4 bis 12 Meter pro Stunde.
    Unbeachtet stieg er die Stufen hoch – überwand in einem günstigen Moment die Absperrung und war auf dem Besuchergang.
    Unter ihm wuselten farbenfrohe Punkte durcheinander, die Reihen füllten sich allmählich, es begann zu dämmern. Seine dunkle Kleidung würde ihn komplett mit dem unruhigen Hintergrund verschmelzen lassen und wenn ›Rosenstolz‹ erst einmal spielte, konzentrierten sich die Blicke ohnehin auf das Geschehen auf der Bühne. Ich habe es geschafft, triumphierte er leise, ich werde von hier oben die Musik hören und dann ... dann werde ich die Sache zu Ende bringen.
    Es wäre kein Problem für ihn, noch höher im Gestänge hinaufzuklettern – auch wenn sein Vater ihn immer als unsportlich bezeichnete – klettern hatte er immer gekonnt. Und im Unterschied zu Paul kannte er keine Angst vor der Höhe.
    Das Konzert begann und ein leichter Wind spielte mit seiner Jacke. Daraus würde im Verlauf des Abends vielleicht noch eine steife Brise werden. Hier oben war es merklich kühler als unten – er schloss den Reißverschluss und lehnte sich an einen Stahlträger. Die Musik klang wunderbar klar zu ihm herauf, fand er, körperlos, schwerelos. »Das bin ich, das bin ich, das allein ist meine Schuld.« Die Stimmen schienen ihm klarer und reiner – ihre Worte deutlicher zu sein. Es war, als wüssten sie um seine Situation! Ja – das allein ist meine Schuld!, hätte er ihnen zurufen wollen. Es ist wahr! Ohne mich, wie ich bin, wäre das mit Florian nie passiert!
    Er war zum ersten Mal bei einem Live-Konzert und er genoss den Rausch des Augenblicks. Es machte ihm nichts aus, dass dies auch sein letztes Konzert sein würde. Vielleicht hörte Florian jetzt gerade diese Musik, genau dasselbe Stück. Er sah auf die Uhr. Gleich halb neun. Um die Zeit legte die Nachtschwester manchmal für Florian eine CD ein – zum Einschlafen. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als dass sie dieses Erlebnis wenigstens über die Distanz teilen konnten. Wenn er die Augen schloss, konnte er Florians Gesicht deutlich vor sich sehen, wie er lachte, ausgelassen über die Wiese lief, laut die Musik von ›Rosenstolz‹ mitsang, die ihm schon immer gut gefallen hatte. Florian, der jauchzend aus dem Wasser eines Badesees auftauchte, die dunklen Haare nass an den Kopf geklebt. Er war so nah, dass Markus seinen Atem auf seiner Haut zu spüren glaubte.
    »Was ist, wenn es besser wird, besser, als du glaubst.«
    Ja – es sollte besser werden, Florian würde ohne ihn besser dran sein, freier sein – und was zum Teufel sollte eigentlich am Sterben so schlimm sein? Sein Leben hatte jeden Sonnenstrahl verloren, er war verdammt in ewiger Dunkelheit zu leben. Nicht einmal mehr in den Spiegel sehen konnte er – dort grinste ihn nur der Teufel an, der, der Schuld war an Florians Unfall, der, der Florians Liebe wollte, obwohl er um das Risiko wusste. Florian hatte nicht geahnt, wie boshaft sein Vater sein konnte. Aber er, er hatte es seinem Freund verschwiegen – nur, um ihm immer wieder nah sein zu können!
    »Und wenn es anders wird als geplant ...« Ja – alles war anders gekommen als geplant, nichts hatte sich so entwickelt, wie er gehofft hatte. Er würde Florian nicht länger im Weg stehen und für sich selbst einen sinnvollen Abschluss finden. Er hielt das alles nicht mehr aus, sehnte sich nach Ruhe und Befreiung von dieser zentnerschweren Last. Florians Eltern könnten sich einreden, die Sache mit ihm habe sich ihr Sohn nur eingebildet. Wenn er erwachte, würde er irgendwann eine richtige Familie gründen und Enkelchen

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