Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)
glauben Sie, sind Sie, dass Sie sich anmaßen darüber zu entscheiden, wer getötet werden darf und wer nicht?«
Trotziges Schweigen antwortete ihm.
»Und wenn nun jemand der Meinung wäre, Ihr Leben sei vergeudet, würden Sie akzeptieren wollen, dass er es auslöscht? Sie haben Rolf Bartel zu Tode geprügelt, Ihren Vater erstochen und Ihren Bruder wollten Sie für mindestens 15 Jahre ins Gefängnis wandern lassen – erwarten Sie von uns besser kein Verständnis für Ihre Sicht der Dinge! So viel Egoismus in einer Person! Alle Achtung!«
»Paul!«, spuckte Markus Mehring verächtlich über den Tisch, »Paul! Der große Gewaltfreie! Gestern hätte er mich beinah von der Förderbrücke gestoßen! Hätten Sie mich nicht gehalten, müssten wir dieses Gespräch heute nicht führen.«
»Sie lügen schon wieder! Paul hat Sie nicht gestoßen!«
»Klar hat er. Das ist Mordversuch! Dafür geht er ins Gefängnis und mit seinen blauen Freunden ist auch Schluss! Seine Freundin wird sich freuen, wenn sie erfährt, wer da beinahe Vater ihres Kindes geworden wäre!«
Nachtigall schob sein Gesicht noch näher an das des Verhafteten heran.
»Sie«, brodelte er laut, »Sie können es nicht ertragen, wenn jemand geliebt wird! Paul ist in Ihren Augen zu gut weggekommen. Er hat Sie einfach zurückgelassen, um mit seiner Freundin glücklich zu sein! Die Leute seiner Bewegung folgen ihm, er wird bewundert! Inzwischen sogar von der Presse zitiert – morgen ist eine Podiumsdiskussion mit ihm. Die Mind Watchers streifen ihr Spinnerimage ab, man nimmt sie ernst. Das können Sie ihm nicht gönnen! Deshalb versuchen Sie mit aller Macht, seinen Ruf zu zerstören und ihn zu isolieren! Er soll sich so allein fühlen wie Sie!«
Markus streckte sich.
»Sie haben keine Ahnung! Er hat mich gestoßen! Aussage gegen Aussage! Ich bin gefallen, das ist der Beweis. Er wird verurteilt.« Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und lehnte sich lässig zurück.
»Sie haben nur vergessen, dass Sie nicht allein da oben waren«, mischte sich Albrecht Skorubski ein.
»Das ist ja das Gute – ich habe den Superbullen als Zeugen!«
»Unsere Leute haben Ihren Bruder aus der Förderbrücke gesammelt – er war viel zu weit von Ihnen entfernt, um Sie zu stoßen. Er hätte sich auch nicht so schnell dort bewegen können – er hat Höhenangst.«
Hatte er vor dem Sturz eine Bewegung wahrgenommen oder nicht? Und hatte es sich dabei um Paul gehandelt – oder war das nur der Moment gewesen, als Markus Schwung geholt hatte.
Und der Schrei? Alles eine perfekte Inszenierung?
Er lauschte in sich hinein, als könne er dort die Antwort finden und fand sie auch.
»Es ist Hass, nicht wahr? Ein alles verzehrender Hass. Gegen Ihren Vater, der ein Tyrann war, gegen Ihren Großvater, der Ihnen nie geholfen hat, gegen Paul, der Sie im Stich gelassen hat – sogar gegen Rolf Bartel, der eine Aufgabe gefunden hatte, die ihm Spaß machte, und Hass auf Florian, der sich nicht für seine Liebe zu Ihnen entscheiden konnte, nicht wahr?«
Tränen liefen plötzlich über Markus Mehrings Gesicht.
»Alle durften immer mehr als ich. Mein Vater hat alles verboten. Meine Mutter hatte ihm nichts entgegenzusetzen. Aber Großvater und Paul hätten etwas unternehmen können! Aber nein! Die zogen aus und begannen ein neues Leben. Um mich haben die sich einen Dreck geschert! Wissen Sie, dass mein Großvater wieder heiraten will? Es steht ihm nicht zu, eine glückliche Beziehung zu haben! Ich bin doch auch mal dran! Mit Florian wollte ich glücklich werden – es hätte so schön sein können! Aber für ihn war der Tanz wichtiger als ich – das machte er mir immer wieder klar. Er lief weg von mir – zum Training! Und vor die Wahl gestellt – war er zu feige, mir zu sagen, wie er sich entschieden hatte, wollte er sich nicht entscheiden müssen, war seine Liebe nicht stark genug, um auf den Tanz verzichten zu können! Aber meine ist stark genug, ihn zu rächen!«
Markus legte seinen Kopf auf die Arme und weinte. Seine Schultern zuckten heftig. Peter Nachtigall hatte genug gehört.
Müde erhob er sich und hinkte zum Kaffeeautomaten.
Skorubski signalisierte dem Beamten, sie seien mit der Vernehmung fertig, und eilte ihm hinterher.
»Abgründe sind das«, murmelte Nachtigall und blies über die heiße Flüssigkeit.
»Vielleicht findet er einen milden Richter«, meinte Skorubski hoffnungsvoll und entschied sich gegen ein heißes Getränk.
»Sollten wir uns das tatsächlich
Weitere Kostenlose Bücher