Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)
die Formeln knapp und gut zu erfassen. Viele Menschen stehen längst hinter unseren Zielen, trauen sich nur nicht, sich öffentlich dazu zu bekennen. Gut war auch, dass von unserer Seite aus keinerlei Tätlichkeiten stattfanden. Großes Lob an alle, die dabei waren! Ihr habt euch zu nichts provozieren lassen. Klasse! Nicht so gut war, keine Frage, dass wir überhaupt angegriffen und in der Folge eingekesselt wurden.« Er senkte die Stimme. »Einige wurden verletzt, manche mussten genäht werden, blaue Augen sehe ich hier in der Runde viele, zu viele. Die Lehre, die wir daraus ziehen sollten, lautet: Niemals an einem Ort demonstrieren, von dem aus man sich nicht in alle vier Winde zerstreuen kann. Ich habe mit dem Einsatzleiter der Polizei gesprochen. Einige seiner Beamten wurden auch von Wurfgeschossen getroffen und verletzt. Entsprechend sauer hat er reagiert. Die Einsatzkräfte waren zwar schlecht positioniert, wollten uns aber nicht schaden. Die Kesselsituation ergab sich aus dem Versuch, uns zu schützen. Wir wissen jetzt, wie sehr unsere Transparente polarisieren, und werden in Zukunft besser auf solche Situationen vorbereitet sein, und die Polizei hoffentlich auch.«
Zustimmendes Gemurmel von allen Seiten wurde von anhaltendem Applaus abgelöst. Er hob beide Arme und bat den Gast, nun seine Gruppe vorzustellen.
Holger erhob sich selbstbewusst. Sein Ton erinnerte Paul an den Kasernenhofton seines Großvaters, der junge Mann sprach abgehackt, laut und deutlich.
»Also, wie gesagt, ich komme von PRO. Der eine oder andere hat vielleicht schon von uns gehört oder sogar mit uns zu tun gehabt. Wenn ihr euch mit uns zusammentätet, würde eure Organisation einen Mitgliederzuwachs von ein- bis zweihundert Personen haben. Endlich würde eure Stimme gehört, eure Unerschrockenheit imponiert, ihr fürchtet nicht die Provokation!«
Paul registrierte die Welle der Freude und Begeisterung über diese Flut an Komplimenten, die sich unter den Mind Watchers ausbreitete, und in seinem Kopf schrillten die Alarmglocken so laut, dass er fürchtete, es wäre im ganzen Raum zu hören. Jetzt musste er sachlich bleiben, ermahnte er sich und sagte:
»Schön, unsere Aktion hat PRO also gefallen. Ich kenne PRO nicht, was mich überrascht, wenn ihr doch so viele Mitglieder habt. Bisher scheinen wir also noch nicht auf den gleichen Hochzeiten getanzt zu haben, nicht wahr? Es wäre gut, wenn du uns etwas über euer Statut, eure Regeln, eure Zielsetzungen und bisherigen Aktionen berichten könntest, denn wenn wir Hand in Hand arbeiten wollen, möchten wir schon wissen, mit wem genau wir zusammenarbeiten.«
»PRO kämpft, ähnlich wie ihr, um die Sauberkeit in den Köpfen der Menschen. Wir wollen, dass wir Deutsche endlich wieder deutsch denken dürfen und uns nicht ständig fragen müssen, ob das den Ausländern auch gefällt. Deutsches Essen wieder überall zu haben ist. Arbeitsplätze an Deutsche vergeben werden. All diese englischen Worte wieder aus unserem Wortschatz verschwinden! Unsere Sprache hat genug Vokabeln, wir brauchen diese ganzen fremden Ausdrücke nicht. Im Radio muss wieder deutsche Musik gespielt werden.«
»Ja«, rief eine Frauenstimme, »›Die Härte‹ von Grönemeyer! Solltet ihr euch viel öfter anhören!«
Paul erhob sich.
»Da hat PRO irgendetwas missverstanden. Wir haben mit dieser Deutschtümelei nichts am Hut. Uns geht es um Lebensqualität und einen reinen Geist, mit sinnlosen Fragen nach Nationalitäten geben wir uns nicht ab«, antwortete er dem Selbstdarsteller, doch der gab sich nicht so schnell geschlagen.
»Aber das Bewusstsein sauber zu halten, bedeutet doch, es vor fremden Einflüssen zu bewahren! Wir von PRO finden es wichtig, sich immer wieder auf die Grundpfeiler zu besinnen, die unsere Kultur ausmachen. All das, was wirklich zu uns gehört, mit dem können wir auch am besten umgehen. Dieses ganze fremde Zeug ist nur störend!«
Später konnte Paul nicht mehr sagen, ab welchem Punkt seiner Ansprache seine Mind Watchers begonnen hatten, den Gast nach draußen zu drängen. Sie hatten einen Halbkreis gebildet und waren auf ihn zugegangen, langsam, Schritt für Schritt. Eine blaue Woge der Entrüstung. Der PRO-Anhänger forderte mehrfach laut, die Mind Watchers mögen sich doch ihrer gewaltfreien Gesinnung erinnern und ihn in Frieden lassen, während er sich hastig zurückzog und schließlich durch den Gastraum ins Freie türmte.
»Seht ihr nun, wie wichtig es ist, dass wir genau festlegen,
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