Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)
jungen Leute heute haben einfach kein Durchhaltevermögen mehr. Die stöhnen bei den Proben, haben hier und da das Zipperlein, sind wetterfühlig! Es ist kaum zu glauben, mit was für blöden Ausreden die manchmal das Training absagen.«
Er sammelte sein Werkzeug auf, klaubte ein paar Schrauben vom Boden, die aus einer seiner Taschen gefallen waren, und beteuerte dann mit schriller Stimme:
»Hans-Jürgens Nachfolger bin ich! Und nur um Ihrer Frage vorzugreifen: Ich habe niemanden sexuell belästigt, genötigt oder missbraucht!«
»Wir haben ein Video vom Täter. Ich muss Sie bitten, mich zu begleiten und es sich anzusehen. Vielleicht können Sie die Person identifizieren.«
»Ich muss das aber erst noch wegschließen und mich im Sekretariat abmelden. Sonst glauben die, ich habe mich einfach so aus dem Staub gemacht und ich verliere womöglich meinen Job. In meinem Alter wäre das eine Katastrophe. Ich finde doch nie wieder eine neue Anstellung.«
»Gut. Aber wir gehen gemeinsam!«
Widerstrebend griff der Hausmeister nach seiner Werkzeugkiste und begleitete den jungen Ermittler unter leisem, aber anhaltendem Protest.
29
Das Handy klingelte und Nachtigall schlug sich heftig den Kopf an der Seitenscheibe seines Autos an. Irritiert sah er sich um. Wo zum Teufel war er hier überhaupt?
Während er noch damit beschäftigt war, sich diese Frage zu beantworten, suchten seine Finger das kleine Mobiltelefon in der Jackentasche.
»Albrecht! Guten Morgen!«, meldete er sich dann, nach einem verschlafenen Blick auf das Display.
»Guten Morgen. Ich wollte nur fragen, wo du bist. Zu Hause jedenfalls nicht.«
»Nein.« Nachtigall probierte vorsichtig, ob er seine Beine noch bewegen konnte.
Was war da auf seiner Motorhaube?
Ungeschickt öffnete der Hauptkommissar die Fahrertür und stieg unbeholfen aus. Auf dem Auto lag ein heller Leinenbeutel.
»Moment, Albrecht, ich lege dich für zwei, drei Sekunden beiseite.«
Er legte das Telefon auf den Sitz zurück und öffnete die Tasche. Eine Thermoskanne Kaffee, ein paar frische Brötchen, zwei Portionsschälchen Butter – und eine Packung Zahnbürsten für unterwegs. Er war gerührt. Das konnte doch nur von Conny sein. Wahrscheinlich hatte sie sein Auto entdeckt, als sie heute die Zeitung aus dem Briefkasten geholt hatte. Ob sie wohl Mitleid mit ihm gehabt hatte? Egal, jedenfalls weiß sie jetzt, dass ich die Nacht nicht mit Birgit verbracht habe, dachte er.
»Albrecht? Da bin ich wieder. Michael ist auf dem Weg zu Rolf Bartel und wird sich mit ihm erst unterhalten und ihm dann das Video zeigen. Wir beide treffen uns in einer dreiviertel Stunde auf dem Parkplatz des Klinikums und besuchen Wilhelm Mehring. Vielleicht ist er wach und ansprechbar. Ok?«
Dann goss er sich dankbar von dem dampfenden Kaffee ein und biss in ein duftendes Sesambrötchen. Die ganze Zeit hoffte er, einen Blick auf Conny erhaschen zu können, doch entweder war sie schon in die Praxis gefahren oder sie hatte erst später Sprechstunde. Sie blieb unsichtbar. Sein Rücken nahm ihm die unbequeme Übernachtungsposition übel, aber ansonsten ging es ihm überraschend gut. Aus dem Notfallkoffer, den er hinten im Kofferraum für Fälle wie diesen gelagert hatte, entnahm er neue Wäsche und ein frisches Hemd, einen Akkurasierer und ein duftneutrales Deodorant. Er hatte sich schon vor Jahren angewöhnt auf Übernachtungen außer Haus vorbereitet zu sein, gleich nachdem er nach einer durchwachten Nacht auf Täterjagd in brütender Hitze am nächsten Morgen beim Staatsanwalt vorsprechen musste. Nach Schweiß stinkend, mit ungeputzten Zähnen, die Kleidung verdreckt und Stoppeln im Gesicht. Er konnte dem Mann ansehen, dass dieser große Zweifel daran hatte, der junge Ermittler könne es je zu etwas bringen.
Er schrieb einen Dankesgruß und warf ihn in Connys Briefkasten, bevor er sich auf den Weg ins Klinikum machte.
Wenig später klingelten Nachtigall und Skorubski an der Tür zur Intensivstation. Eine rothaarige Schwester öffnete und kontrollierte die Ausweise.
»Wir möchten zu Herrn Mehring.«
»Der Patient wird noch beatmet, er ist nicht ansprechbar. Es macht keinen Sinn, wenn Sie ihn besuchen.«
»Wir möchten ihn dennoch sehen und den behandelnden Arzt hätten wir auch gern gesprochen. Herr Mehring hat dem Sanitäter erzählt, er sei gestoßen worden. Das bedeutet, wir ermitteln wegen des Verdachts auf Versuch einer absichtlichen Tötung. Mordversuch.«
»Wie Sie meinen. Legen Sie Ihre Jacken
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