Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)
welche Regeln für uns von Bedeutung sind und ihre Einhaltung kontrollieren!«, triumphierte Miki und sah dem flüchtenden Eindringling mit glutvoll leuchtenden Augen nach.
28
Donnerstag
Michael Wiener fuhr direkt von seiner Wohnung aus ins Niedersorbische Gymnasium, wo Rolf Bartel als Hausmeister arbeitete. Der kleine, magere Mann trug einen viel zu weiten Kittel, in dessen Taschen er jede Menge Werkzeuge und andere unentbehrliche Helfer gesteckt hatte, die er über den Tag verteilt wahrscheinlich benötigen würde.
Der junge Ermittler fand den Hausmeister kniend vor der Tür eines Klassenraumes im 1. Stock. Rolf Bartel versuchte, mit einem Auge durch das Schlüsselloch hindurchzusehen und hatte zur Verbesserung der Konzentration auch die linke Seite der Oberlippe weit nach oben gezogen. Unbemerkt trat Wiener an ihn heran und stand unmittelbar hinter ihm, als er ihn ansprach.
»Guten Morgen, Kriminalpolizei Cottbus, Michael Wiener!«
Wie von der Tarantel gestochen fuhr der Angesprochene herum, blinzelte nervös und rappelte sich umständlich auf, wobei ihm mehrere Schraubendreher aus der Tasche rutschten und zu Boden klapperten.
»Äh, Rolf Bartel, Hausmeister. Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
»Das wird sich zeigen. Hier sind Sie ja wohl nicht so richtig erfolgreich, wie?«, antwortete Wiener und zeigte auf das Schloss.
»Ah, das. Ja, Kaugummi. Manche Schüler finden das wahnsinnig witzig. Die Klausur schreiben sie natürlich trotzdem, nur eben in einem anderen Raum. Ist ja nicht so, dass sich keine Ausweichmöglichkeit findet, wenn der Lehrer die Tür nicht aufschließen kann. Aber das geht wohl in die Kinderköpfe nicht rein. Pech für die, die in ihrem Klassenraum irgendwelche Spickmöglichkeiten vorbereitet hatten.« Er grinste schief.
»Und, geht’s wieder?«
»Nein, es hakelt. Da müssen noch irgendwo Reste kleben.«
»Öl. Versuchen Sie es mit Speiseöl. Sie müssen es fein vernebelt einsprühen. Nach dem Einweichen können Sie mit einem Wattestäbchen oder einem Holzstäbchen nachstochern. Funktioniert wirklich ganz gut.«
Rolf Bartel strahlte den jungen Ermittler an. »Das probier ich gleich!«
»Nein, das können Sie erst später probieren. Ich bin schließlich nicht wegen des Kaugummis hier.«
Der Hausmeister schrumpfte in sich zusammen.
»Entschuldigung – das kann ich mir ja eigentlich denken, nicht wahr? Hat einer unserer Schüler was ausgefressen?«
Michael Wiener überlegte kurz, ob der andere ihn eventuell auf den Arm nehmen wollte. Schließlich konnte er doch nicht ernsthaft erwartet haben, nur ein einziges Mal wegen des Todes von Hans-Jürgen Mehring befragt zu werden. Doch Rolf Bartel sah ihn so offen interessiert an, dass er davon ausgehen musste, der Hausmeister halte die Ermittlungen in der Mordsache Mehring für erledigt.
»Es geht nicht um einen der Schüler. Ich habe noch ein paar Fragen zu Hans-Jürgen Mehring.«
Der kleine Mann zuckte mit den Schultern, was in dem übergroßen Kittel seltsam körperlos aussah.
»Oh – ich dachte, nach dem Gespräch mit Ihrem Kollegen sei alles geklärt. Wir haben doch schon die ganze Angelegenheit besprochen. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen ...«
»Nun, wir ermitteln und dabei ergeben sich manchmal neue Aspekte. Zum Beispiel haben gestern einige Damen ihre Aussagen gemacht und wir sehen einen gewissen Klärungsbedarf. Immerhin geht es um sexuelle Nötigung – vielleicht sogar Missbrauch.«
»Ach das!«, Rolf Bartel machte eine wegwerfende Handbewegung, bei der ihm der zu lange Ärmel weit über die Hand rutschte. Bei seinem ungeschickten Versuch ihn wieder hochzukrempeln, verhedderte er sich mit einem der Schraubendreher im Stoff, die er vom Boden aufgelesen hatte, und gab dann frustriert auf.
»Vorgestern hatten wir eine Zusammenkunft. Die Nachfolge von Hans-Jürgen musste ja geregelt werden und außerdem müssen natürlich auch die Proben weitergehen. Da haben die Frauen plötzlich diese Vorwürfe erhoben. Also, ich glaube nicht eine Sekunde, dass da was dran ist! Und wenn doch, so habe ich jedenfalls nichts davon gewusst«, log er dann. »Ich bin immer davon ausgegangen, die Damen machen dem Hans-Jürgen freiwillig schöne Augen.« Er zwinkerte Michael Wiener verschwörerisch zu.
»Wer ist denn nun sein Nachfolger? Ich dachte, wegen der Fernsehaufzeichnung drängt die Zeit. Da haben Sie doch bestimmt schon jemanden ernannt«, gab Wiener sich unwissend.
»Ja, klar drängt die Zeit – und nicht nur die! Die
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