Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)
jemand die Familie auslöschen?, dieser Gedanke kreiste unablässig in Nachtigalls Kopf. Was haben die Mehrings getan, wofür werden sie bestraft?
Sie würden sich morgen früh noch einmal Rolf Bartel vornehmen. Michael sollte ihn ins Büro bringen. Vielleicht wurde er ja gesprächiger, wenn er keinen Heimvorteil mehr genießen konnte.
Und er musste sich noch um dieses Mädchen kümmern, das auch in der ersten Reihe tanzte – eine Solotänzerin. Rosemarie Phillip. Die Eltern hatten einer Befragung grundsätzlich zugestimmt, unter der Bedingung, dass sie vorsichtig und einfühlsam durchgeführt wurde. Rosemarie wolle lieber mit einem Mann von der Polizei sprechen, Frauen könne sie nicht leiden. Am liebsten sei ihr der Riese, der neulich zur Probe gekommen war. Peter Nachtigall hoffte, die Kleine würde sich nicht von seiner Größe einschüchtern lassen und womöglich beharrlich schweigen, wenn er ihr leibhaftig gegenüberstand.
Für heute waren ihm die Hände gebunden, aber morgen, morgen würde sich das Blatt wenden, das spürte er.
Er startete den Motor und rollte vom Parkplatz, um sich nach rechts in den Verkehr einzufädeln. Da fiel ihm ein, dass er gar nicht wusste, wohin er nun fahren sollte! In seinem Haus in Sielow würde er auf Birgit treffen und das kam überhaupt nicht in Frage. Er stellte sich vor, wie Conny mitten in der Nacht an seiner Auffahrt vorbeifuhr und die beiden Autos friedlich nebeneinander stehen sehen würde, als sei das eine Selbstverständlichkeit. Nein! Das würde den unauslotbar tiefen Graben zwischen ihnen endgültig unüberwindlich machen. Jule hatte auch nicht angerufen, fiel ihm ein. Wahrscheinlich war ihr keine geniale Lösung eingefallen.
Er stieß rückwärts wieder auf den Parkplatz zurück.
Hoffnungsvoll zog er das Mobiltelefon aus der Tasche und starrte vorwurfsvoll auf das erleuchtete Display. Nichts. Conny hatte nicht reagiert. Die Sehnsucht nach ihr erfasste ihn wie eine heiße Welle und er musste einen Moment gegen die aufsteigenden Tränen kämpfen. Er würde nicht zulassen, dass Birgit alles zerstörte! Dazu hatte sie kein Recht! Wenn die Beziehung mit ihrem Norweger in die Brüche gegangen war, war das ihre Sache und hatte mit ihm nichts mehr zu tun. Falls sie glaubte, er habe nach ihrem Scheitern nun auch kein Recht mehr auf eine neue Beziehung, würde sie sich an ihm die Zähne ausbeißen!
Peter Nachtigall eilte ins Büro zurück und holte den Laptop, den er schon von den Fachleuten der forensischen Computertechnik zurückerhalten hatte, kehrte zum Auto zurück, rollte entschlossen vom Parkplatz und fuhr in die Petersilienstraße.
Paul Mehring öffnete und war hocherfreut, seinen Laptop wieder in Empfang nehmen zu dürfen.
»Unsere Fachleute haben keine seltsamen Dateien auf Ihrem Computer gefunden.«
»Ja – das wundert mich nicht. Ich schreibe keinen solchen Schund.«
»Herr Mehring, nach dem Überfall auf Ihren Großvater sollten Sie vielleicht doch noch einmal ernsthaft darüber nachdenken, ob es nicht jemanden geben könnte, der die Männer der Familie töten möchte. Hat jemand Grund, alle männlichen Mehrings zu hassen?«
Paul warf einen Blick in den Flur hinter sich, wo Katharina aufgetaucht war.
»Ich gehe mit Herrn Nachtigall ein paar Schritte vor die Tür. Bis gleich.«
»Pass auf dich auf«, mahnte sie leise und küsste ihn zärtlich, als wollte er eine mehrtägige Reise antreten. Neidvoll sah Nachtigall zu Boden.
»Ich bin doch unter polizeilichem Schutz«, tröstete Paul seine Freundin und begleitete den Hauptkommissar nach unten.
»Gehen wir rüber zur Puschkinpromenade.«
Ein paar Schritte gingen sie schweigend nebeneinander her.
»Ich wüsste nicht, wer uns so hassen sollte.« Der junge Mann kickte einen kleinen Stein über den Weg.
»Bei der Obduktion haben wir Rattengift im Körper Ihres Vaters festgestellt – und wir wissen nun auch, dass er die Tänzerinnen im Karnevalsverein zu sexuellen Handlungen genötigt hat.«
»Rattengift? Wie soll denn Rattengift in seinen Körper gekommen sein?«
Nachtigall antwortete nicht.
»Das hätte ihm wahrscheinlich jemand ins Essen mischen müssen, oder? Sie denken hoffentlich nicht, meine Mutter wäre zu so etwas fähig? Nie!«
»Ihr Vater ging fremd. Mit wechselnden Partnerinnen. Für manch eine Ehefrau wäre das Grund genug.«
»Meine Mutter wusste doch bestimmt nichts davon, oder? Hat sie Ihnen erzählt, sie hätte davon gehört?« Paul strich sich die Haare aus der Stirn und
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