Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz
Ariane hat beide ins Haus rein gewinkt. Dann war’s endlich ruhig hier.«
»Hmhm. Als Journalistin, da will wohl jeder was von ihr.«
»Leider hab ich die Ariane seither nicht mehr zu Gesicht bekommen, sonst hätt ich sie g’fragt, was da los war. Ihr Wagen fehlt auch seit damals. Beunruhigend, dass wir jetzt schon die Polizei brauchen. Ich schreib mir eh jedes Autokennzeichen auf, das ich nicht kenn. Man kann nie wissen.«
»Wie, sagten Sie, sah der junge Mann aus? Nur damit man Bescheid weiß und sich in Acht nehmen kann.«
»Groß. Hager. Sprach kaum was, grad, dass er einen Gruß herausbracht hat. Er hat kaum auf’gschaut dabei.« Der Alte schüttelte den Kopf. Dann richtete er sich auf, nahm die Schaufel. »Schlimm, schlimm. Der alte Anselm ist harmlos, ein Spinner. Aber dass die Ariane wie vom Erdboden verschluckt ist … das ist seltsam. Sie soll doch die Biografie von Bonifaz Stettin schreiben! Ein bombensicherer Aufstieg.«
Berenike nickte.
Arianes Nachbar fuhr fort: »Im Familienhaus drüben in Sankt Kilian tut er so viel Gutes. Viele Paare sind ihm dankbar, weil er Adoptionen vermittelt. Die armen Hascherln vom Balkan haben ein Glück, wenn sie hier eine neue Familie finden. Dafür hat er schon viele Ehrungen bekommen. Er hat so ein G’spür, der Bonifaz, er bringt die richtigen Leute zusammen. Die Gersthofers zum Beispiel. Die Ehe war fast am Ende, weil sie kinderlos geblieben sind. Aber dann haben’s einen Buben adoptiert, ganz einen lieben. Sieht aus wie ein Unsriger, so blonde Lockerln.« Der Blick des Alten wurde verträumt. »Er ist sogar Ministrant geworden vor kurzem. Und so gut Deutsch spricht er schon! Die Gersthoferin geht ganz in ihrer Mutterrolle auf, auch ihr Mann ist wie ausgewechselt, kauft dem Kleinen Spielzeug und fahrt mit ihm zum Kulm. Vielleicht wird einmal Großes aus dem Buben.«
Wieder nickte Berenike.
»Aber dass gerade die Ariane das Buch über den Pfarrer schreiben soll, finden Sie das nicht seltsam? Sie wissen doch, diese Familienfehde …« Der Alte sah sie fragend an.
»Ich hab davon gehört. Das ist wirklich überraschend.«
»Kann nix Gutes davon kommen, wenn man den falschen Glauben hat. Protestanten waren die Meixners. Sollen damals im letzten Moment abg’schworen haben, bevor man sie vertrieben und umg’siedelt hätt. Feiglinge. Verräter bleiben Verräter. Da kommt nix Gutes nach. Die Meixners waren immer verdeckt evangelisch, bis ihr Glaube erlaubt worden ist. Und der Großvater … na Sie wissen, dieser Mord … Soll eine junge Frau um’bracht haben, deren Leiche man nackt auf dem Berg gefunden hat. G’hängt haben’s ihn dafür. Damals war Recht noch Recht, nicht so wie heut, wo ein Lebenslänglich nicht mehr als 20 Jahre bedeutet. Und jetzt schreibt die Ariane die Biografie von einem Erzkatholiken. Na ja«, er zuckte die Achseln, »wird halt das Geld g’stimmt haben.«
»Hmhm«, machte Berenike.
»Ich hab gehört, dass der Pfarrer interveniert hat. Wundern tät mich das nicht. Wer weiß, wie die ihn hingestellt hätt. Der Ariane ist alles zuzutrauen. Bei der Familie!«
»Ach ja?« Allmählich gingen Berenike die Worthülsen aus.
»Ein Verwandter vom jetzigen Pfarrer Stettin hat damals die Indizien gegen den alten Meixner bei Gericht vorgelegt. Seit drei Generationen hassen die Meixners die Stettins. Die Ariane hält ihren Alten noch immer für unschuldig, wie ich höre.« Der Mann stützte sich wieder nachdenklich auf seine Schneeschaufel. »Zumindest stammt das Blut vor Arianes Tür nur von einer Katz. Man hätt sonst direkt glauben können, das sei ein Zeichen aus der Vergangenheit.«
»Hat die Ariane einen zweiten Wohnsitz?«, fragte sie den Nachbarn schnell, als dieser kurz schwieg.
»Nicht, dass ich wüsste. Aber ich kenn mich natürlich nicht aus, was die so in Wien treibt. Wissen Sie …«
Mit Müh und Not verabschiedete sich Berenike von dem redseligen Nachbarn, als der sich zu wiederholen drohte. Der Alte entsann sich seines Arbeitsgeräts und marschierte zurück zu seinem Grundstück, wo er dem harschigen Schnee auf seiner Einfahrt zu Leibe rückte.
Berenike wandte sich zurück zur Straße. Sie sehnte sich nach ihrem Zuhause, es reichte für heute. Sie würde Jonas von dem Gespräch erzählen, er konnte sehen, was er aus den Informationen machte. Das Schaufeln des Nachbarn wurde leiser hinter ihr, während sie Richtung Bushaltestelle ging, mühsam darauf bedacht, nicht auszurutschen und hinzufallen. Dabei ließ sie das Gespräch
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