Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz
Revue passieren. Im Grunde genommen hatte sie kaum Neues gehört. Ariane stammte aus protestantischer Familie und sollte die Biografie eines erzkatholischen Mannes schreiben, mit dessen Familie ihre eigene verfeindet war. Das am Seeufer gefundene Notizbuch beruhigte sie nicht wirklich. Wie sie es drehte und wendete, die Journalistin hatte sich selbst verdächtig gemacht. Egal, sollte Jonas sich um die Aufklärung kümmern. Sie beugte sich über den Busfahrplan. Hoffentlich gab es bald eine Verbindung zurück nach Bad Aussee. Sie kramte in der Jackentasche nach dem Handy, um auf die Uhr zu sehen.
Ohne Vorwarnung sprang von irgendwo ein Schatten hervor. Ein riesiger schwarzer Schatten. Warf sich auf Berenike, eisig kalt und schwer. Sie hätte doch jemand mitnehmen sollen, Begleitschutz, jawoll. Sie wollte den Mund aufmachen, schreien, aber …
17.
Pochen in der linken Schläfe. Klopfen. Pulsieren. Berenike wollte die Augen aufschlagen – und starrte ins Schwarze. In schwarze Stille.
»Ein alter Stollen.« Worte kamen von irgendwoher auf sie zu. Worte, wie von einer Märchenfee gesprochen. Der Tonfall kam Berenike bekannt vor. Nur woher? Wieder das Pochen. War das der Schmerz im Kopf? Hatte man sie geschlagen? Ausgeknockt? Und wohin transportiert? Sie musste lange weg gewesen sein, dass sie nichts wusste, sich an gar nichts erinnern konnte.
»Ja?«, versuchte es Berenike mit einer Antwort. Die krächzenden Laute hörten sich in ihren eigenen Ohren fremd und verzerrt an. Und wie sehr der Hals schmerzte, rau und trocken.
Zumindest hatte man sie sitzend an eine Wand gelehnt, eine kalte, feuchte Wand. Sie bewegte sich ein wenig, viel Spielraum hatte sie nicht, weder an den Armen noch an den Beinen. Sie zerrte an ihren Handgelenken, kaum etwas bewegte sich. Aneinander gefesselt, ebenso die Fußgelenke. Nicht mit Ketten, da war kein Geräusch. Sie tastete nach dem Boden: Steinig, rau und ebenfalls kalt. Eis verklumpte ihr Herz, als ihr die Situation aufging. In dieser schwärzesten Schwärze. Nachtschwarz. Ohne Hoffnung.
»Hallo?« War sie doch alleine, hatte sie diese Stimme nur geträumt?
»Du bist Berenike, oder?«
»Ja, das bin ich.« Langsam ließ das Kratzen im Hals nach. Dafür zitterte sie umso mehr, der Kopf wirkte wie in Watte gepackt. »Wer bist du? Deine Stimme kommt mir bekannt vor.«
»Wir haben uns zu Weihnachten unterhalten.«
»Auf der Dirndl Alm? Ariane!? Bist du das?« Oh, Göttin! Wenn sie nur wüsste, was passiert war, wo sie sich befand.
»Ja, ich bin es.«
Wieder versuchte Berenike, ihre Gliedmaßen zu bewegen. »Verdammt, ich halte das nicht aus, Ariane. Bist du auch gefesselt?«
»Du wirst dich daran gewöhnen, du musst. Ein kleines bisschen. Bis wir eine Chance haben, uns zu retten.«
»Aber wie sollen wir denn, wir können uns nicht fortbewegen!« Berenike spürte Panik in sich aufsteigen. Herzflattern, Übelkeit, die alten Vertrauten. Sie riss an ihren Fesseln. Schmerz schnitt scharf in ihre Haut. Tränen in den Augen. Und Himmel, diese Kälte! Ihre Zähne begannen unkontrolliert zu klappern. Shit! Sie presste die Kiefer aufeinander. Diese Hilflosigkeit! Was tun? Einen ewig scheinenden Moment lang völlige Verzweiflung. Abgelöst von Zorn. So nicht! Nicht mit ihr!
»Wir müssen was tun, Ariane. Wie lange bist du schon hier?«
»Ich … ich weiß es nicht.« Auch in der Stimme der Journalistin jetzt ein Zittern.
»Hast du es warm, Ariane?«
»Ich hab meine Jacke. Aber die ist zerrissen.«
»Shit, shit, shit.« Langsam bekam Berenike wieder Luft, konnte das Zittern und das Zähneklappern unterdrücken. Sie befahl sich, an etwas Warmes zu denken. Einen Urlaub in Thailand, einen Palmenstrand. Mit aller Macht dachte sie an Schweißausbrüche und Tropenklima. Es half nur wenig. Die Stille wurde durch Pochen und Klopfen unterbrochen, und immer noch war sich Berenike unsicher, woher das kam. Allmählich glaubte sie, dass es Geräusche aus dem Umfeld waren – nicht ihr Kopf.
»Hast du eine Ahnung, wo wir sind, Ariane?«
»Im Salzbergwerk.«
»Woher weißt du das?«
Einen Moment herrschte Stille. Dann erklang Arianes Stimme etwas schnippisch: »Ich glaub es zumindest, ich war schon einmal hier. Außerdem werde ich schon länger hier festgehalten. Sei mal still – hörst du es klopfen?«
Berenike lauschte. Ja, da war deutlich etwas, das nicht mit ihrem Kopfschmerz zu tun hatte.
»Und wer …?«
»… uns das angetan hat? Frag lieber, was sie vorhaben.«
»Wie rau meine
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