Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz
sollten uns bei der Seewiese treffen. Etwas unorthodox im Winter, ich weiß, wo das Lokal geschlossen ist und der Weg wegen der Lawinengefahr offiziell gesperrt. Aber wenn der Auskunftspartner es so will, tue ich natürlich alles für ihn.« Ariane seufzte. »Es ging um Stettins Biografie, die ich ohne die Unterstützung des Pfarrers schreiben muss.« Sie schluckte. »Wenn ich sie je schreiben werde.«
»Schon gut, Ariane, wir werden hier rauskommen.«
»Ja. Ja, das muss einfach klappen!« Die Journalistin zog lautstark den Rotz hoch. »Also. Ich habe mich an jenem Tag auf den Weg gemacht. Den Florian hab ich mitgenommen. Schließlich hab ich versprochen, auf ihn aufzupassen. Mein Informant wollte, dass wir auf verschiedenen Wegen zum Treffpunkt kommen sollten. Er wollte unbedingt vermeiden, dass uns jemand zusammen sieht. Hast sicher schon gehört, dass keiner uns Meixners mag. Viele Leute wollen sowieso nur inkognito mit den Medien zusammenarbeiten. Ich hab mir also nichts Böses gedacht bei seinem Wunsch. Der Informant wollte über den Gaisknechtsteig gehen, vom Toten Gebirge her, er kennt die Wege, hat er gesagt.«
»Mit wem hast du dich getroffen, Ariane, sag?«
»Er will anonym bleiben. Aber das ist das Blöde, ich habe vergeblich auf ihn gewartet.« Ariane verstummte, zog wieder lautstark Rotz hoch. »Angesichts der Situation … aber bitte, Berenike, behalte den Namen für dich, wenn es irgendwie möglich ist. Der Name meines verschwundenen Gesprächspartners ist Karl – Karl Wengott.«
»Nein!«
»Doch.«
»Ich dachte, du magst den Jäger nicht?«
»Es ging um Wichtigeres als meine persönliche Abneigung.«
»Ariane – er ist der erste Ermordete. Man hat Karl Wengott tot aus dem Eis des Ausseer Sees geborgen, nackt, mit Resten von Fesselungsspuren an den Beinen. Er ist in dem kalten Wasser ertrunken.«
»O Gott! Woher weißt du das?« Ariane schluckte heftig.
»Florian hat mich zu der Leiche geführt, ich habe sie selbst gesehen. Und Jonas hat mich dann über die tatsächliche Todesursache informiert.«
»Oh, mein Gott, Berenike, was ist mit dem Kleinen? Ist er wenigstens in Sicherheit?«
»Er war zuerst bei Hans, dann hat Alma den Buben erkannt und die Polizei hat geholfen, seine Eltern ausfindig zu machen.«
»Dann ist es gut.« Die Journalistin seufzte mehrmals hintereinander. »Wenigstens etwas. Wenn das Kind …« Sie keuchte.
»Nun gut, weiter. An dem Tag habe ich also an der Seewiese auf Karl Wengott gewartet, aber er kam nicht. Nach einer Weile bin ich nach Altaussee zurück in den Ort gegangen. Ein bissl komisch ist mir das schon vorgekommen. Aber ich hab mir gedacht, Wengott hat den Mut verloren. Sowas kommt häufig vor. Florian war quengelig, ich hab mehr auf ihn geachtet, als auf meine Umgebung. Mit einem Mal war ein Grollen in der Luft, immer wieder hat es gedonnert, lange. Ich hab sofort an eine Lawine gedacht. Hab ich mein Glück herausgefordert, und das von Florian noch dazu, so ist es mir durch den Kopf gegangen.« Arianes Stimme zitterte durch die feuchte Dunkelheit. »Dabei war der Tag sonnig und wunderschön, das Licht hat auf dem frischen Schnee geglitzert. Ich war so in Gedanken, dass ich nicht auf meine Umgebung geachtet hab. Ich hab darüber nachgedacht, wie ich ohne Wengotts Informationen die Wahrheit über Pfarrer Stettin schreiben kann. Wahrscheinlich glaubt er, ich will mich rächen für etwas.«
»Wie meinst du das?«
»Na, wegen meinem Großvater. Ich hab dir erzählt, dass man ihn als Mörder hingerichtet hat.«
»Stimmt, das hast du. Aber das ist lange her.«
Arianes Lachen hörte sich dumpf an. »Als mein Großvater verurteilt worden ist, hat die Oma geschworen, nie wieder mit einem Stettin zu reden. Die falsche Zeugenaussage hat sie dem alten Stettin nie verziehen. Und sie haben sich wirklich nie ausgesprochen, so viel ich weiß. – Das Opfer damals war die Frau vom alten Stettin. Sie soll in Wirklichkeit an einer geheimen Abtreibung zugrunde gegangen sein. Sowas war verboten damals. Sie ist wahnsinnig geworden. Hat sich nackt in die Berge geflüchtet und von einem Abhang gestürzt. Zerschmettert war ihr Körper, als man ihn gefunden hat.«
»Woher weißt du das?«
»So hat’s mir meine Großmutter erzählt. Sie kannte die Frau, sie war mit dem Dorfarzt verheiratet – meinem Großvater. Angeblich haben sich bei der Toten Sachen befunden, die ihm gehörten. Das hat man als Beweis gesehen, dass er schuldig war. Man hat ihm auch die Abtreibung in die
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