Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz

Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz

Titel: Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anni Bürkl
Vom Netzwerk:
Schuhe geschoben, obwohl er es abgestritten hat.«
    »Hm«, machte Berenike, weil ihr nichts Tröstliches einfiel.
    »Ich hab meinen Großvater nie kennengelernt.« Ariane schwieg eine Weile, sodass sich Berenike Sorgen zu machen begann. Dann sprach sie weiter: »Die Stettins haben uns Meixners immer das Leben schwer gemacht. Der alte Stettin hat mit dem Prozess nicht genug gehabt. Dass man meinen Großvater hingerichtet hat, hat ihm nicht gereicht, er wollte Rache, noch mehr Rache für seine tote Frau. Der Stettin hat immer gegen uns polemisiert, hat verbreitet, die Oma sei Kommunistin geblieben, auch später. Und in dem Geist hat er seinen Sohn aufgezogen, der dann eben Pfarrer geworden ist. Jetzt hat er sicher Angst, dass ich mich in dem Buch an ihm räche, indem ich wer weiß was schreibe. Manchmal frag ich mich, wie lange der Wahnsinn noch weitergehen soll. Einmal muss Schluss sein damit, oder? Deshalb will ich die Vorfälle rund um meinen Großvater so dringend klären. Vielleicht bringt ein Ergebnis dann Frieden zwischen mir und Herrn Stettin. Aber nein, der Pfarrer Stettin haut mir ein Hackl ins Kreuz nach dem anderen. Ich bin sicher, dass er meine Bewerbung beim Ischler Boten abgeschmettert hat. Ist ein kirchennahes Blatt. Der wird ihnen von meiner kommunistisch angehauchten Familie erzählt haben. Das reicht schon. Der hat überall die Finger drin.«
    »Glaubst?«
    »Ja. Wer ihm nicht in den Kram passt, dem macht er das Leben schwer. So wie den Nachbarn seines Waisenheims.«
    »In der Öffentlichkeit wirkt der Pfarrer wie der größte aller Wohltäter.« Berenike versuchte, sich etwas bequemer zu lagern. Ihr linker Fuß fühlte sich taub an, der Schmerz zog bis in ihre Hüften, genau dorthin, wo sie letztes Jahr Probleme gehabt hatte, weil sie mit dem Motorrad gestürzt war. Diese nasse Kälte, dazu das Klopfen, das sich mit ihrem Herzschlag vereinte. Ganz ruhig, sagte sie sich. Sie hatte schon so viel durchgestanden, sie würde auch das hier noch packen. Irgendwie. Sie musste nur darauf vertrauen. Langsam spürte sie, wie ihr Atem wieder ruhiger ging.
    »Stettin hat zwei Seiten«, erklärte Ariane. »Für sein Familienhaus tut er alles. Er hat das Waisenheim gegründet, nachdem er zuvor schon das dortige Internat geleitet hat. Nach seiner Pensionierung hat er sich auf die Waisenkinder aus dem Osten konzentriert, das nennt er sein Lebenswerk, darüber lässt er nichts kommen. Nach außen ist er der liebevolle Waisenhausvater, der selbstlose Helfer, der sein eigenes Vermögen zur Verfügung stellt. Er hat eine Stiftung dafür gegründet, aus der diese Hilfsorganisation für Osteuropa entstanden ist.«
    »Ach, daher nimmt er das Geld.«
    »Genau. Aber wer Stettin privat kennt, und das tue ich, leider, muss ich sagen, der weiß, was in dem Kerl stecken kann. Der Moser-Bauer ist auch so ein Fall. Dem hat er ein Grundstück quasi weggenommen, das er dem Waisenheim einverleibt hat. Der Moser-Bauer fühlte sich über den Tisch gezogen und hat zu prozessieren begonnen. Daraufhin hat ihn der Stettin massiv bedroht, er werde ihm zeigen, wo Gott zuhause ist, wen Gott lieber hat, hat Stettin geschrien, ich hab es zufällig selbst mitangehört. Und dass die Ausseer nur die Kinder aus dem Osten nicht wollen, allen voran der Moser-Bauer, dass man ihm deshalb Hindernisse in den Weg legt.« Ariane schniefte. »Es war geradezu Ironie, dass ich den Auftrag für Stettins Biografie bekommen hab. Eigentlich wollte ich es zuerst nicht machen, aber ich brauche das Geld dringend. Schließlich habe ich es als Chance betrachtet, der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Wengott wollte eine wichtige Facette zu der Lebensgeschichte beisteuern. Verdammt. Der arme Mensch.« Ariane seufzte so abgrundtief auf, dass Berenike am liebsten in ihr Wehklagen eingestimmt hätte. Sie durften sich nicht gehen lassen!
    »Jedenfalls – die Lawine ist das Letzte, woran ich mich erinnere. Florian hat meine Hand losgelassen. Ich habe einen Schatten gesehen, den ich für Schnee und Geröll gehalten hab. Und seither …«, Ariane seufzte auf. »Jetzt ist alles weg, meine Tasche mit dem Notizbuch, das Aufnahmegerät, sogar mein Handy. Alles hat man mir weggenommen. Die ganze Arbeit umsonst.«
    Berenike tastete mit ihrer Schulter nach der von Ariane. »Vielleicht beruhigt es dich ein wenig, das Notizbuch habe ich gefunden.«
    »Wenigstens etwas!«
    »Ich habe es Jonas gegeben, meinem Freund, der bei der Kripo ist. Wenn ich es bei mir gehabt hätte, hätten die

Weitere Kostenlose Bücher