Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz
Gewalt betroffen war – das ging ihnen zu weit. So ein Buch hätten sie nicht so easy vermarkten können. Sie wollen die liebliche Gegend zeigen, die tolle Urlaubsregion. Alles wunderbar, lauter liebe Leut hier. Aber der Simon wollte auch über diese Vorfälle in seinem Buch reden, ganz offen. Gerade darüber. Er wollte das Schweigen brechen. Weil viel zu viel darüber geschwiegen wird, sagte er. Er als Star, so hat er gedacht, könnte etwas dazu beitragen, dass sich was ändert. Diese Vorkommnisse haben ihn zu dem gemacht, was er war. Magersucht, Panikattacken – das waren die Folgen der Ereignisse. Mit der Zeit ist das immer schlimmer geworden, auch wenn der eigentliche Missbrauch schon Jahre zurücklag. Doch das Schweigen, so war er sich sicher, hat sein Trauma immer weiter verschlimmert. Weil er nicht hat reden dürfen darüber. Offiziell waren es seine Nerven, deretwegen er sich zurückgezogen hat. Man hat verlautbart, dass der Simon sich eine Auszeit nimmt.« Ariane starrte Löcher in die Luft. »Und seine Eltern …«
»Was ist mit den Eltern? Wissen Sie mehr dazu, Frau Meixner?«, fragte Mara Wander. »Die haben nämlich sehr … sagen wir mal … merkwürdig auf die Nachricht vom Tod ihres Sohnes reagiert.«
»Was haben sie denn gesagt?«
»Ermittlungsgeheimnis, sorry«, fuhr Jonas dazwischen.
»Der Simon war sich sicher, dass seine Eltern von den sexuellen Übergriffen wussten. Er hat Andeutungen gemacht. Wie hätte er offen reden sollen über sowas, er wusste selbst nicht, was da vor sich ging. Nur, dass es ihm gegen den Strich ging. Und die Täter gehen subtil vor, sie machen den Kindern Schuldgefühle und sie so zu Mittätern, sodass sie schweigen. Niemand hat dem Simon damals geholfen.« Ariane schüttelte den Kopf. Es war totenstill im Raum. Ein Mann nahm seine Mütze ab, und hielt sie betroffen vor die Brust. Alle schwiegen, die meisten sahen zu Boden.
»Was ist damals passiert, weißt du das, Ariane?«, fragte Berenike.
»Nicht alles. Während seiner Ausbildung hat Simon das Internat besucht, das damals Bonifaz Stettin leitete. Das machten viele angehende Schispringer und Schiflieger, weil die Schule sich in der Nähe der Schanze befindet. Seine Eltern dachten, das wäre aufgrund der geringen Entfernungen am einfachsten. Wahrscheinlich haben sie ihn gern ins Internat gegeben, so wie Simon die beiden beschrieben hat. Mutter und Vater haben Karriere in der Wirtschaft gemacht, bei einer Bank, glaube ich.« Ariane rührte gedankenverloren im kalten Tee. »Außer bei den Wettkämpfen, da haben sie stolz präsentiert mit dem Sohn.«
»Armer Junge«, murmelte ein älterer Mann leise. Wahrscheinlich ein Urlaubsgast, dem Akzent nach aus Bayern. Die Umstehenden sahen ihn überrascht an.
»Aber er war auch so komisch, der Simon.« Mit einem Ruck setzte Ariane die Tasse an, trank den letzten Schluck, schenkte nach. »Statt dass er durch seine traumatischen Erlebnisse ein mitfühlenderer Mensch geworden wäre – aber nein. Ich bitt euch, jagen! Das ist grausam. Da muss man was dagegen unternehmen.«
»Bist du in der Stadt zur Vegetarierin geworden?« Hans war zurückgekommen und stellte die Frage ganz sachlich.
»Und wenn schon?«, brauste Ariane auf.
»Dann warst du das, die den Hochsitz beim Tressenstein angesägt hat?«, ertönte eine Männerstimme von weiter weg, die zu einem der Schützen gehören musste. »Gib’s zu, Ariane!«
»Diese Jagdgegner werden immer dreister«, ergänzte ein anderer.
»Jagen ist ein super G’schäft«, führte ein Mann im grauen Loden an. »Beruhig dich, Ariane. Wennst wieder da leben willst, g’wöhnst dich besser dran.«
»Aber …« Ariane wollte aufspringen, man sah es ihr an, doch die Kräfte reichten nicht dafür und sie sank im Sitz zurück.
Jonas legte seine Hand auf ihren Arm. »Ist gut, wir verstehen dich. Ich seh auch drüber hinweg, dass du bei der Sabotage dabei warst.«
»Frau Meixner«, mischte sich Mara Wander ein, »wir müssen noch einmal mit Ihnen reden. Offiziell.« Und leiser: »Am besten unter vier Augen. Damit nicht alle hier von den Ereignissen erfahren. Ist schon genug durchgesickert. Das erleichtert unsere Ermittlungen nicht gerade.« Die Polizistin blickte Berenike an. »Sie haben sicher ein Büro oder so, wo wir ungestört sein können?«
»Natürlich.« Berenike erhob sich, im Aufstehen flammten die Schmerzen wieder auf. »Übrigens, Ariane, die Polizei hat tatsächlich Katzenleichen bei Simon Einstatt gefunden.«
»Also doch.
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