Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz
Ich hab gleich so ein komisches Gefühl gehabt, wie ich Simon zum ersten Mal getroffen hab.« Ariane sah niemanden an. »Aber ich wollte nicht – Vorurteile und so –«
»Ja.«
»Schrecklich. Kann man sagen, ob meine Katze … ich meine, hat man eine rot getigerte gefunden?« Fragend sah Ariane Jonas an. Jetzt ließ sie zu, dass Gerhard ihre Hand nahm und mit der anderen sachte über ihren Rücken strich.
Jonas räusperte sich. Dieses Räuspern verfolgte ihn, seit er im Ausseerland aufgetaucht war, zuerst noch bei der Autorengruppe hier im Salon. Erst später hatte er sich als Polizist zu erkennen gegeben, der undercover ermittelte. »Wir haben nur Skelette ausgegraben. Noch ist bei weitem nicht alles untersucht. Aber wir tun unser Bestes, um dir Gewissheit zu verschaffen. Hast du ein paar Katzenhaare oder so? Dann könnten wir mittels DNA-Vergleich feststellen, ob deine Katze unter den Toten ist.«
Ariane nickte.
Gerhard stand auf. »Ich«, er hüstelte ebenfalls und sah Ariane lange an. »Ich muss los.« Er sprach schnell, packte seine Jacke, warf sie sich um die Schultern, schlüpfte schon im Gehen in die Ärmel und war draußen, bevor noch jemand was sagen konnte. Ariane hob winkend die Hand. Dann folgte sie Mara und Jonas in das Büro, in das Berenike sie führte.
20.
Grüner Sencha
Schmerzhaft schön tauchte die Sonne am nächsten Morgen hinter den Bergen auf. Berenike machte sich trotz allem zu Fuß auf den Weg in ihren Salon. Am Vortag hatte sie noch auf Arianes Wunsch hin deren Gespräch mit der Polizei beigewohnt, auch wenn dabei nichts Neues zutage gekommen war. Daheim hatten die Katzen sie begrüßt. Wenn nur Dr. Watson bald zurück käme! Jonas hatte berichtet, dass man den Kater noch weiter in der Tierklinik behalten wollte.
Berenike hatte sich gefreut, sich in ihr eigenes Daunenbett zu kuscheln – um dann erst schlaflos wach zu liegen. Jonas war nicht mehr gekommen, weil es spät bei ihm geworden war … dieses Alleinsein an so einem Tag, das war nichts mehr für sie. Seltsam, wie sehr sie sich an ihn gewöhnt hatte, wie sehr sie seine Anwesenheit genoss, wo es lange Zeit so ein Hin und Her zwischen ihnen gegeben hatte. Wie ein Zerren, alle beide wollten sie ihren Weg gehen, manchmal in andere Richtungen, dennoch der Wunsch, gemeinsam zu gehen. Total widersprüchlich. Aber – what the fuck. Jonas war da, wenn er konnte, der Rest würde sich ergeben. So viel Zutrauen hatte sie jetzt zu ihrer Love Story.
Obwohl sie noch müde war, genoss sie es, am Morgen in der Natur zu sein, die Bewegung zu spüren. Die Kälte fühlte sich erfrischend auf ihren Wangen an, der Neuschnee knirschte unter den Schuhsohlen. Ein fürwitziger Spatz tschilpte von einem nackten Baum am Rand des Weges herunter. Ein gelbes Postauto wendete an der Abzweigung zur Dirndl Alm und fuhr abwärts, der Fahrer hob grüßend eine Hand. Ein Schneepflug preschte aus dem Tal heran, der Postler wich im letzten Moment aus, kam ins Schleudern. Berenike sprang zur Seite, der Wagen kam immer schneller auf sie zu. Sie rutschte über die Böschung, Schnee drang in die Stiefel, sie fluchte – endlich hatte der Fahrer den Wagen wieder unter Kontrolle und fuhr weiter, als wäre nichts gewesen. Berenike kletterte zurück auf den Weg, putzte sich den Schneematsch von ihrer Hose. Auch nach Jahren im Ausseerland wunderte sie sich mitunter, dass nicht mehr Unfälle passierten.
Mit langsamen Bewegungen sperrte sie die Tür zum Salon auf und betrat ihr Reich. Wie still es war, ihr Märchenland, es wollte erst wachgeküsst werden, jeden Tag aufs Neue. Manchmal fühlte sich alles unwirklich an, was sie seit ihrem Ausstieg aus der Eventbranche erlebt hatte. Dass es ihr gut ging, dass sie ihre traumatischen Erlebnisse verarbeitet hatte und tatsächlich ein Teelokal ihr eigen nennen konnte – in einer der schönsten Gegenden der Welt. Allein dafür hatte sich ihr Neuanfang bezahlt gemacht.
Die Ruhe am Anfang des Tages tat gut. Der Alltag würde sie ablenken von dem kürzlich Erlebten und Erfahrenen. Routine tröstete und half über den Schmerz hinweg. Sie hätte nicht daheim bleiben wollen, auch wenn Hans und Susi allein alles geschafft hätten.
Berenike schaltete die dezente Beleuchtung an und die Heizung höher. Bei bestimmten Bewegungen schmerzte ihre Schulter, aber das würde sich geben, hoffte sie. Erst einmal würde sie es mit warmen Heublumenauflagen versuchen, um die Druckstellen zu besänftigen.
Ihr Blick glitt über die Regale
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