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Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz

Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz

Titel: Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anni Bürkl
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befreite?
    Sie wurde vom eintretenden Sepp abgelenkt. »Guten Morgen, Berenike! Wie geht’s?« Der knorrige Mann im Pensionsalter leitete die Autorengruppe ›Pessoas Erben‹. Sepp hatte viele Jahre in der Psychiatrie verbracht, jetzt stand er auf eigenen Beinen und lebte in seinem eigenen Heim, Schreiben war seine Passion.
    »Danke, und selbst?«, entgegnete Berenike.
    »Frag mich lieber nicht, momentan geht’s kaum voran.«
    »Hast dich lang nimmer blicken lassen! Was ist los, trefft ihr euch noch?« Berenike wollte seit langem ein Buch über Tee und Weisheit schreiben, doch bisher hatte das aus Zeitgründen einfach nicht geklappt. Sie verfasste auf ihrer Webseite Teetipps oder Buchempfehlungen, zu mehr fehlte die Muße, wenn man ein eigenes Lokal betrieb. Vielleicht, wenn sie sich irgendwann einmal eine Auszeit gönnen würde …
    »Momentan nicht, aber das ist sicher nur vorübergehend. Die Kollegen haben halt alle viel zu tun.« Sepp beugte sich über die Karte. »Bringst mir bitte einen Lindenblütentee?«
    »Gern.«
    »Ich fühl mich, als würd ich was ausbrüten, eine Grippe oder so.«
    »Magst Honig dazu? Das soll helfen.«
    »Wirklich? Gern.«
    »Übrigens, Alma sitzt hinten«, Berenike deutete mit einer Kopfbewegung in Richtung der Astrologin.
    Sepp hob nur grüßend die Hand und blieb sitzen. Er kramte eine Weile in der Schachtel, die er immer mit sich trug.
    »Sepp, du hast Post«, rief Hans mit lauter Stimme von der Theke her, wo er sich an dem Stapel Briefe zu schaffen machte. Er hielt ein großes, braunes Kuvert hoch, das ziemlich dick aussah, und kam damit zu Sepps Tisch. »Hier, bitte!«
    »›Pessoas Erben‹«, las Berenike halblaut, die Adresse war mit Maschine auf einen weißen Sticker getippt worden. »c/o Salon für Tee und Literatur, Altaussee …« Das war nichts Ungewöhnliches, die Autorengruppe bekam ab und zu Post hierher. »Aber ich kann keinen Absender erkennen.«
    »Nein, ich auch nicht.« Sepp drehte das Kuvert in seiner wettergegerbten Hand hin und her. Bei der Bewegung fiel auf, dass es bereits geöffnet worden war, allerdings war ein Bindfaden darum herum geschlungen worden. Sepp zog daran.
    »Sei vorsichtig«, Berenike hielt seine Hand fest, bevor sie darüber nachgedacht hatte. »Wer weiß …«
    »Aber, Berenike«, lächelte Sepp, »was soll schon sein. Hier im Ausseerland gibt’s keine Bombenbastler! Wir sind nicht in der Großstadt!« Dabei schob er vorsichtig die Paketschnur über die Ecken des Umschlags. Die Lasche sah zerfetzt aus, vielleicht von den neuen Sortiermaschinen. Mit behutsamen Bewegungen griff Sepp in das Kuvert. Zum Vorschein kam ein Packen DIN-A4-Seiten. Sie waren ziemlich dunkel kopiert worden, Kopien von anderen Kopien, möglicherweise. Oder ein schlechtes Kopiergerät. Sepp legte das Konvolut vor sich auf den Tisch, richtete sorgsam die Kanten der einzelnen Seiten übereinander aus. Auf dem zuoberst liegenden Blatt sah man, dass es von oben bis unten handschriftlich beschrieben worden war, die Zeilen drängten sich dicht untereinander. Nicht einmal an den Seitenrändern war Platz gelassen worden. Die Handschrift wand sich krakelig über die Seite, wie ein Wurm, kleine, schwer lesbare Buchstaben.
    »Eine Textzusendung?« Sepp musterte das Blatt mit gerunzelten Brauen und tastete seine Jackentaschen ab. »Wo ist nur meine Brille? Ohne die kann ich nichts erkennen. Ach, hier ist sie.« Er setzte sich die Augengläser auf, was ihn lehrerhaft wirken ließ. »Es wäre nicht ungewöhnlich, dass uns jemand was aus seiner Feder schickt.« Sepp blätterte durch die Seiten. »Immerhin gab es Aufrufe für die nächste Ausgabe unserer Zeitschrift. Aber das hier«, er hielt inne, sein Mund klaffte mit einem Schlag offen.
    »Was steht da?«, fragte Berenike neugierig. »Ist der Text interessant?«
    »Der Text … es ist eigentlich kein Text. Das … das ist ein Wahnsinn. Lies selbst, Berenike. Ich gehe kurz zur Toilette.« Sepp drängte sich zu den Waschräumen durch.
    »Berenike?« Hans kam an ihr vorbei. »Ich muss dich noch wegen der Teebestellungen was fragen.« Er deutete zur Theke, sie folgte seinem Blick.
    »Bin gleich bei dir.«
    Hans ging und Berenike griff zu dem Papier. Es fühlte sich dick unter den Fingerkuppen an, etwas Besseres als das, was üblicherweise in Büros verwendet wurde. Sie musste sich bemühen, die handschriftlichen Zeilen zu entziffern. Erst nach und nach wurde sie mit der Handschrift vertrauter. Sepp kam zurück. Halblaut las sie vor:

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