Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz
alles so merkwürdig aussah.«
Berenike wickelte sich enger in den warmen roten Kimono, der ihr bis zu den Waden reichte. In der Küche war es warm, die Heizung blubberte brav, obwohl ein heftiger Sturm tobte. Allein vom Blick auf die Schneeflocken, die waagrecht gegen das Küchenfenster geweht wurden und dort weiß und patzig kleben blieben, wurde ihr kalt. Man sah kaum noch durch die Scheiben, als gäbe es dort draußen keine Welt mehr, als wären sie beide ganz allein mit den Katzen. So mussten sich die Menschen in früheren Zeiten gefühlt haben, wenn sie eingeschneit wurden.
»Aber die Toten waren … waren nicht nackt?«
»Nein, das nicht. Zwei von ihnen waren etwas spärlich bekleidet. Der eine mit einem T-Shirt, der andere trug gar kein Hemd oder irgendein Oberteil.«
»Also hängt ihr Tod doch mit den Morden zusammen, oder was meinst du?«
»Ich weiß es nicht.« Jonas strich sich müde über die Augen.
»Ob sie erfroren sind?«
»Wir werden das alles hören. Reden wir über was anderes. Wie geht’s dir heute, meine Süße?« Jonas legte die Zeitung zur Seite und seine Hand auf ihre. Wärme, diese Wärme! »Hast du dich erholt von den Qualen der Entführung?«
»Danke, sweetheart. Mir geht’s bestens.« Sie lächelte ihn an. »Und dir?«
»So gut es sein kann, wenn ich zum Dienst muss.« Er leerte den Rest Tee aus seiner Tasse in einem einzigen großen Schluck. »So eine Mordserie, das wird nicht einfach aufzuklären sein … Wir werden Verstärkung brauchen. Und rund um die Uhr an der Lösung arbeiten müssen.«
»Tja …« Berenike wusste, was das bedeutete. Sie würde Jonas wenig zu Gesicht bekommen, noch weniger. Sie stellte das Geschirr zum Abwaschbecken. Der Kimono rutschte ihr über die Schulter, verlor sich über der noch ein wenig nachtwarmen Haut. Gleichzeitig löste sich der Gürtel. Sie spürte Jonas mehr näher kommen, als dass sie ihn sah. Er umfing sie von hinten, seine Hand berührte ihren Bauch, eine Fingerspitze grub sich sachte und beharrlich zugleich in die kleine Vertiefung ihres Nabels. Sie schob das Tablett mit dem Geschirr weg und ließ sich in die Berührung fallen. Ließ sich fallen gegen diesen Männerkörper, groß, ein ganzes Stück größer als sie selbst, dabei war sie nicht klein. Immer dieses Wunder, dass er ihren Weg gekreuzt hatte, damals vor vier Jahren, bei ihrem ersten Mordfall, ein Grazer Kriminalpolizist im Ausseerland, in England geboren, sie selbst erst kürzlich von Wien hierher gezogen. Er hatte ihren Weg gekreuzt, als sie sich schon mit dem Alleinsein abzufinden begann – halb willig, halb unwillig. Und jetzt …
Jonas senkte seinen Mund auf ihren Haaransatz, biss sie ganz zart an der Stelle, wo die Wirbelsäule in den Schädel überging. Dabei drückte er sich an sie, sein Bademantel öffnete sich ein wenig, sie spürte seine Erregung, ließ sich ganz darauf ein, hörte nichts außer seinem Atem, spürte seine warmen Hände, spürte seinen Lippen nach – und vergaß endlich alles andere.
23.
Ingwertee … gibt den Viren keine Chance
Es wurde Mittag, bis Berenike am nächsten Tag im Salon eintraf. Sie hatte sich in einen dicken Pulli mit buntem Karomuster gekuschelt, und die schwarze Lederhose angezogen. Vor dem Eintreten ließ Berenike ihren Blick über die Landschaft schweifen. Es hatte ein wenig aufgeklart, in der Ferne zeigte sich sogar König Dachstein. Zwei Schwäne schliefen auf dem zugefrorenen See, fast nicht zu erkennen, so weiß auf weiß.
Berenike betrat ihr Lokal. Klingelnd fiel die Tür hinter ihr zu, Stimmengewirr schwappte über sie hinweg. Sie drängte sich durch die zahlreichen Gäste, die vor der Theke beisammen standen.
Die Gespräche drehten sich um die neuesten Leichenfunde. »Seltsam«, drang es an Berenikes Ohr, »dass jemand aus der Gegend unter den Lawinenopfern sein soll. Die Unsrigen sollten wissen, wie gefährlich es jetzt am Berg ist.«
»Sind halt junge Leut, die kennen sich mit den Verhältnissen nicht so aus wie wir früher.«
Helmut, der Kollege des ermordeten ›Jägers‹ Karl Wengott, stand direkt vor der Theke. »Morgen, Berenike! Was gibt’s Neues von der Polizei?«
»Wo ist dein Kripo-Freund heute?«, ergänzte der Bergführer Hermann, der neben dem Forstassistenten lehnte.
»Ihr wisst doch, dass die Mordkommission jetzt alle Hände voll zu tun hat!«, erklärte Berenike, um alle weiteren Fragen abzublocken, und drängte sich an den Männern vorbei Richtung Theke.
»Natürlich.«
Mehrere
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