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Narrentod

Titel: Narrentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Wiederholungskurses wurde die Übung Nocturno angekündigt. Die Wehrfrauen wurden für ein gleichberechtigtes Damenprogramm abdetachiert. Es herrschte wenig Vorfreude unter den Wehrmännern. Völlig zu Unrecht, wie sich schon bald zeigen sollte.
    Nach ein paar Irrläufen in kompletter Kampfmontur krochen wir durch dichte Kastanienwälder, über stachelige Gartenzäune und durch die engen Gassen verschlafener Tessinerdörfchen. Im Hinterhof eines lauschigen Rustico machten wir Marschhalt. Wir waren rund ein Duzend ADA s, mehrheitlich im Offiziersrang. Ich stellte die einzige unrühmliche Ausnahme dar.
    Der Häuptling des verwegenen Kommandos entfaltete eine Landeskarte im Maßstab 1:50.000 und beleuchtete das übersichtliche Blatt mit dem grasgrünen Licht seiner feldgrünen Taschenlampe. Wo befanden wir uns? Wo versteckte sich der Feind? Wie konnten wir ihn überraschen?
    Unser Häuptling wusste Bescheid. Der Feind befand sich gleich im übernächsten Rustico , in nur gerade 20 Meter Entfernung, und ahnte nichts von der herannahenden Übermacht. Guter Hoffnung und siegesgewiss machten wir uns zum Gefecht bereit. Dann ertönte das entscheidende Kommando: ›Aaangriiif !‹
    Durch einen verborgenen Kellereingang stürmten wir unerschrocken in das feindliche Objekt ein. Nachdem wir ohne Feindkontakt ein paar feuchte Kellerräume durchquert hatten, wuchteten wir mit den Gewehrkolben eine morsche Holztüre auf und stürmten den Raum dahinter mit Furcht einflößendem Gebrüll und aufgepflanzten Bajonetten. Die Wirkung war phänomenal.
    Im eroberten Lokal kreischte ein halbes Duzend illegaler Huren um ihr Leben. Aber auch auf der Seite der Angreifer herrschte Verwirrung. Wo waren wir da gelandet? Wozu hat uns der Häuptling mitten unter dunkelhäutige Feindinnen geführt? Was führten diese im Schilde? Wie stand es um die Bedrohungslage? Wie birnenweich war die Wahl der Weichziele?
    Kurz gesagt: Der Übungsleiter hatte seinen braven Mannen zum Abschluss eines dreiwöchigen Militärdienstes einen unvergesslichen Höhepunkt bieten wollen. Er hatte sein Ziel erreicht. Wir standen in voller Kampfmontur mitten in einem Bordell.
    Und wie genau lautete nun der Auftrag? Nimmt und hält? Stürmt und verteidigt? Belagert und bechert? Fickt und festet? Fix und fertig?
    Der Kommandant beruhigte die anwesenden Damen, entschuldigte sich bei der Kundschaft und offerierte eine Runde für alle. Freier und Damen entschieden sich für Prosecco, die Krieger für Bier.
    Dem einen oder anderen Familienvater schien Übung Nocturno trotz Gratisdrinks schlecht einzufahren. Andere genossen den ungewöhnlichen Kampfeinsatz sichtlich. Befehl ist Befehl! Wir soffen ja auf Kosten unseres Chefs. Dann setzte ein angeheiterter Stabsoffizier noch einen drauf. Unglücklicherweise.
    Er verkündete, dass jedem Soldaten eine Flasche Champagner winke, der sich auf der Stelle seiner Uniform entledige und im Adamskostüm um die lange Theke flitze. Ich hätte es nicht für möglich gehalten. Tatsächlich begann sich sofort einer der Offiziere auszuziehen, angefeuert durch das Alkoholfähnlein der sieben nicht mehr ganz so Aufrechten. Afrika und Asien kicherten verlegen. Die Freier protestierten. Kaum hatte der zeigefreudige Wehrmann sich der letzten Tarnung entledigt, erbrachte er die geforderte Leistung: Sturmlauf füdliblut!
    Das ging nun offenbar der Puffmutter zu weit. Auf schwindelerregend hohen Plateausohlen stakste sie in einer knöchellangen, feuerroten Latexrobe aus dem düsteren Hinterhalt. Sie empörte sich lautstark und wollte wissen, wer hier der Capo sei. Es hätte nicht viel gefehlt, und sie hätte uns mit einer zwölfschwänzigen Lederpeitsche aus dem Sündentempel gejagt.
    Bis sie aber herausgefunden hatte, wen sie zur Verantwortung ziehen und somit zur Kasse bitten konnte, verhüllte sich der wehrhafte Nackedei längst wieder in züchtigem Tarntuch«, schloss Jüre seine Erzählung.
    »Unglaublich«, entfährt es mir. »Hat es sich wirklich genau so abgespielt, Jüre ?«
    »Ich schwöre es bei der Ehre Winkelrieds .«
    »Na ja. Wie dem auch sei. Wollen wir nicht endlich mit unserer Standortbestimmung anfangen ?« , frage ich, um das Thema zu wechseln.
    »Hier verstanden .«
    »Ich schlage vor, wir beginnen nochmals ganz am Anfang .«
    Kann Jüres demonstrativer Augenaufschlag noch etwas daran ändern?

27
    »Müssen wir wirklich nochmals alles von Beginn weg durchkauen? Ich denke, ein paar Fakten haben wir bereits klären können«, meint

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