Narrentod
vorbereiteten Mord, der mit todbringender Präzision durchgezogen wurde, oder sieht die Tat eher nach einer emotionalen Fehlreaktion aus ?«
»Nun gut, da geht es um die Unterscheidung zwischen vorsätzlicher Tötung und Affekthandlung«, meint Jüre.
»Genau. Man müsste quasi die Handschrift der Tat mit der Handschrift der möglichen Täter vergleichen .«
»Das heißt, eigentlich ist nach deiner Schriftanalyse alles möglich. Mit 50-prozentiger Sicherheit stellst du eine Behauptung auf und schaust dann, wie der Verdächtige darauf reagiert. Was hat das mit seriöser Grafologie zu tun, Hanspudi ?«
»Ich habe dir bereits gesagt, die Schrift allein reicht bei derart gewichtigen Entscheiden nicht aus. Man müsste die beiden Schreiber schreiben sehen, sprechen hören und in ihrem sozialen Kontext zu erfassen suchen«, sage ich.
»Hm. Ich bin jedenfalls froh, dass ich dir fast nur noch SMS sende. Ich würde mich nämlich ungern von dir durchleuchten lassen .«
»Hör auf, Jüre. Ich durchschau dich auch so längst. Du wartest darauf, mir alle kriminalistischen Tricks abzuluchsen. Dann begehst du das perfekte Verbrechen, räumst mich auf die Seite und übernimmst meine Detektei .«
»Genau das hab ich vor, Hanspudi. Die Mortadella, die du vorhin verschlungen hast, war übrigens vergiftet. Spürst du noch nichts? Hegst du noch einen letzten Wunsch ?« , erkundigt sich Jüre mit schadenfreudiger Fratze.
Ich überlege nicht lange. »Ich wünsche mir einen ernsthafteren Assistenten«.
Aber da klingelt der Apparat meines Festnetzes.
29
Der Stadtpräsident ruft mich an.
»Hanspudi, Frau Wenger vom Tägu hat Wind bekommen .«
Ich überlege. Der Stapi erwartet umgehend eine Reaktion.
»Was sagen wir ihr ?«
»Kommt drauf an, wie viel sie weiß .«
»Sie hat in Erfahrung gebracht, dass Dummermuth ausgefallen und Eichenberger für ihn eingesprungen ist. Jetzt, da auch er in die Knie gegangen ist, habe ich Frau Wenger gegenüber dummerweise so eine Bemerkung gemacht«, sagt Rolf von Siebenthal.
»Hm. Was denn für eine Bemerkung ?« , frage ich.
»Dieses Jahr werde der Fulehung nicht nur von der Oberländer Jugend, sondern auch vom Pech verfolgt .«
»Ist das alles? Nichts Genaueres?«
»Nein, ich glaube nicht .«
»Frau Wenger ahnt nichts vom Mord ?«
»Nein. In der Richtung hat sie keine Fragen gestellt .«
»Ja, aber Rüfe, wo liegt dann das Problem ?« , frage ich erleichtert.
»Das Problem liegt darin, dass sie unverzüglich eine Pressekonferenz fordert«, sagt der Stapi.
»Wer soll die durchführen ?«
»Frau Wenger meint, ich müsse das tun. Was denkst du darüber, Hanspudi ?«
»Tu es. So kannst du die Informationen gezielt lenken. Warte nicht, bis sie auf die Idee kommt, Frau Eichenberger oder Frau Barben-Bigler auszuquetschen«, rate ich.
»Warum eigentlich nicht? Die wissen ja nichts vom Verbrechen .«
»Noch nicht. Frau Wengers Neugierde könnte sie aber dazu führen, selbst mit Fragen zu beginnen. Dann musst du plötzlich an allen Fronten gleichzeitig wehren«, warne ich.
»Dann führen wir die Pressekonferenz durch ?«
»Du. Nicht wir, Rüfe.«
»Falsch. Ich habe dich für den Fall Dummermuth engagiert. Es gehört also dazu, dass du mir bei der Pressekonferenz beistehst .«
»Was willst du dort bekannt geben ?«
»Sag du es mir«, fordert mich der Stapi auf.
Ich überlege. Dazu beobachte ich Jüre, der sich vom Stuhl erhoben hat und erneut meine gerahmten Schriftstücke bewundert. Er bleibt vor einer Reproduktion eines kubistischen Gemäldes stehen, macht komische Grimassen, neigt den Kopf in alle Richtungen und kratzt sich ausgiebig in den Haaren.
Ich rate dem Stadtpräsidenten: »Erzähl der Wenger, es grassiere ein Virus. Dass er zufälligerweise auch unseren Spaßmacher schwäche, sei zwar bedauerlich, aber nicht weiter schlimm. Die meisten der traditionellen Verpflichtungen seien bereits wahrgenommen worden. Nur beim Ausschiessetball wird er dieses Jahr nicht auftreten können. Aber das ist halb so schlimm. Ehrlich gesagt zweifle ich daran, dass die Angelegenheit in der kommunizierten Form für Frau Wenger einen Artikel wert sein wird .«
»Das wär allerdings das Beste, was uns passieren könnte. Soll ich Vertreter der anderen Zeitungen dazu einladen ?«
»Auf jeden Fall. Aber so kurzfristig wie möglich. Es wird sich keiner blicken lassen«, vermute ich.
»Umso besser. Könntest du in einer Stunde im Rathaus vorbeischauen ?«
»Jawohl, ich komme. Und mach dir keine
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