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Narrentod

Titel: Narrentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Rekonstruktion des ursprünglichen Motives aus diesen Splittern gibt idealerweise den Blick auf neue Zusammenhänge frei. Dank dieses Blickes macht es klick, und der Fall ist gelöst .«
    »Der Mörder wird einmal mehr wegen eines unscheinbaren Splitterchens überführt«, meint mein Assistent.
    »So ungefähr. Aber lasse mich jetzt bitte die Pressekonferenz vorbereiten. Wenn du willst, kannst du dir das Bild eine Zeit lang ausleihen .«
    »Danke. Ich befürchte, mir fehlt dazu das Motiv .«
    Ich versteh nicht ganz, wie er das meint, erinnere mich aber an unseren Deal.
    »So. Jetzt dein Vorschlag zum Abservieren der Wenger. In einem Satz, bitte .«
    »Erzähle ihr mehr, als sie hören will und weniger, als du preisgeben kannst«, rät Jüre.
    »Und wie mach ich das ?«
    Er grinst mich an und meint: »Langweile sie .«

30
    Wie erwartet, nehmen außer Frau Wenger keine weiteren Pressevertreter an der Konferenz teil. Zu dritt sitzen wir um einen runden Besprechungstisch im Sitzungszimmer sechs des Rathauses. Frau Wenger ist in einem knielangen, orangen Trägerkleidchen erschienen, über dem sie eine Strickjacke in verschiedenen Blautönen trägt. Die korpulente Dame mit dem schwarzen Bubikopf packt ihr Schreibzeug und einen Notizblock aus und blickt erwartungsvoll zum Stadtpräsidenten. Dieser leitet den Blick an mich weiter, und ich schließe den Kreis mit der Begutachtung von Frau Wengers Outfit. Das Kleidchen sitzt eindeutig zu knapp um ihre Pölsterchen und erinnert an eine Wursthaut. Was will uns die pralle Streichwurst aufs Brot schmieren?
    »Liebe Frau Wenger«, beginnt der Stapi. »Ich begrüße Sie ganz herzlich zur Pressekonferenz. Sie haben dieses Treffen zum diesjährigen Ausschiesset gewünscht. Wir haben es kurzfristig eingerichtet, obschon uns nicht ganz klar ist, warum es Ihrer Meinung nach so dringlich ist. Vielleicht können Sie uns darüber zu Beginn kurz Auskunft geben ?«
    Ich habe mit Rolf von Siebenthal vereinbart, möglichst nicht mehr preiszugeben, als der Journalistin schon bekannt sein dürfte. Unser Ziel besteht darin, herauszufinden, was sie weiß, nicht umgekehrt. Wir versuchen, den eigentlichen Zweck einer Pressekonferenz zu unterlaufen, wollen Frau Wenger ausfragen und sie möglichst mit Plattitüden abspeisen. Wird es uns gelingen? Es könnte schwierig werden.
    »Danke, dass Sie mir Gelegenheit geben, Informationen aus erster Quelle zu vernehmen. Die Dringlichkeit der Einberufung ergibt sich aus dem gestrigen Fernsehbeitrag von Telebärn. Haben Sie ihn nicht gesehen ?«
    Wir schauen uns fragend an. Keine Ahnung, wovon Frau Wenger spricht.
    »Was war das für ein Beitrag ?« , fragt Rüfe besorgt.
    »In einem rund zehnminütigen Bericht über den Ausschiesset war ein Ausschnitt der Fahnenübernahme vom Montagmorgen zu sehen. Darin wurde der Augenblick festgehalten, als Sie, Herr von Siebenthal, vom Fulehung angegriffen wurden .«
    Mir fällt ein Stein vom Herzen. Das also ist der Miniskandal, den Frau Wenger journalistisch auszuschlachten hofft. Nichts von Dummermuths Tod scheint ihr zu Ohren gekommen zu sein. Nicht mal Eichenbergers Hirnschlag will sie offenbar weiter kommentieren. Uff, Glück gehabt! Auch der Stapi entspannt sich.
    Von Siebenthal lacht kurz. »Die Angelegenheit ist nicht der Rede wert, Frau Wenger .«
    »Hat Ihnen der Fulehung nicht derart kräftig auf den Kopf gehauen, dass Sie eine blutende Wunde davongetragen haben ?«
    »Nein, nein. Es ist nur ein Kratzer .« Dazu neigt er seinen Kopf und hält Frau Wenger den schütter behaarten Schädel hin.
    »Schauen Sie selbst, man muss die Stelle bereits suchen, an der er mich erwischt hat. Nein. Das ist keine Zeile wert. Ich wurde durch die Heftigkeit des Schlages zwar überrascht und war wenig begeistert über die Folgen. Es wurde mir einen kleinen Augenblick etwas schwindlig. Aber im Grunde genommen habe ich damit gerechnet, auch dieses Jahr während der drei Festtage mal die Söiplatere oder das Schyt zu spüren. Das riskiert man als Thunerpolitiker. Da stehe ich nicht allein. Soviel ich weiß, wurde ja auch Frau Akert verhauen .«
    »Ah? Das wusste ich noch gar nicht«, sagt Frau Wenger interessiert und macht sich gleich eine kleine Notiz.
    »Haben Sie denn nicht den Eindruck, Herr von Siebenthal, dass durch solche Attacken die Würde des Amtes geschändet wird ?«
    »Geschändet? Also, nein, das bestimmt nicht. Und ich glaube auch nicht, dass die Würde, von der Sie reden, sonst wie infrage gestellt wird. Herr

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